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Nachsicht mit Neonazis

■ In der Berufungsverhandlung gegen einen jugendlichen Rechtsradikalen wegen Körperverletzung wurde die Öffentlichkeit partiell ausgeschlossen

Nachsicht mit Neonazis

In der Berufungsverhandlung gegen einen jugendlichen

Rechtsradikalen

wegen Körperverletzung wurde die Öffentlichkeit partiell

ausgeschlossen

Gerüchte über Randale vor dem Moabiter Gericht begleiteten gestern das Berufungsverfahren gegen einen jugendlichen Rechtsradikalen, der einen anderen Jugendlichen im September des vergangenen Jahres während einer Fete in Lichtenrade niedergeschlagen und mit Stiefeln ins Gesicht getreten hatte. Zu dem Prozeß waren etwa 40 Zuschauer beider Seiten erschienen. Um Störungen seitens des Publikums und „Imponiergehabe“ seitens des Angeklagten zu vermeiden, wurde die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen. Unter Buh-Rufen verließen die Leute den Saal, blieben aber im Gang stehen. Wegen des anhaltenden Lärms ordnete die Richterin Tepperwien schließlich an, den Gang zu räumen.

Von dieser Maßnahme klammerte die Polizei jedoch die rechtsradikalen Besucher aus. Sie konnten bis zum Ende der Gerichtsverhandlung bleiben und verbreiteten Gerüchte, wie etwa, daß ein Punker draußen vor dem Gericht einem Rechtsradikalen mit einem Stahlknüppel auf den Arm geschlagen und sein Auto in Brand gesteckt hätte. Die Polizei konnte die Gerüchte jedoch nicht bestätigen.

Der 19jährige Angeklagte und FAP-Anhänger wurde bereits in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Tagen Arrest verurteilt. Sein Verteidiger, Plöger, plädiert für Freispruch, weil sich sein Mandant in „einer Phase der Orientierung, beziehungsweise Nachreifung“ befinde.

Der Angeklagte schilderte die Prügelei zwischen ihm und den anderen Jugendlichen als einen fairen Zweikampf, bei dem beide auf der Erde lagen und aufeinander einschlugen. Der verprügelte Jugendliche, der in diesem Prozeß als Nebenkläger auftritt, beschrieb den Angeklagten jedoch als einen aggressiven Schlägertypen.

Der Angeklagte habe seinen dunkelhäutigen Freund zunächst als „Kanakenschwein“ bezeichnet. Als dieser mit „Deutschenschwein“ konterte, schlug der Angeklagte mit der Faust ins Gesicht des dunkelhäutigen Jungen. Dieser konnte flüchten, doch gelang es dem Angeklagten, den Nebenkläger auf den Boden zu werfen und ihn dann mit dem Stiefel ins Gesicht zu treten.

Im jetzigen Verfahren zweifelte Verteidiger Plöger an der Glaubwürdigkeit der Zeugen, die zugunsten des Nebenklägers ausgesagt hatten. Einstimmig sagten dessen Zeugen aus, der Angeklagte hätte zur Tatzeit Stiefel mit Stahlklappen getragen. Plöger wendete jedoch ein, daß sich der 19jährige nachweislich erst viel später solche Stiefel gekauft hätte. Weil der Verteidiger darüber hinaus noch zwei zusätzliche Aussagen von nicht erschienenen Zeugen hören wollte, kam es gestern zu keinem Urteil sondern zur Vertagung des Prozesses auf Donnerstag.E.K.

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