Sanssouci: Nachschlag
■ "Hommage a Kurtag" in der Kammer-Philharmonie
György Kurtag und György Ligeti, die beiden Galionsfiguren zeitgenössischer ungarischer Musik, hatten einen gemeinsamen Lehrer, und der hieß Sándor Veress, war Schüler bei Zoltán Kodály, welcher seinerseits beim gleichen Lehrer wie Ernst von Dohnányi und Hans Koessler studiert hatte. György Kurtag aber ist momentan composer in residence des Berliner Philharmonischen Orchesters und lebt als fellow des Wissenschaftskollegs in Berlin. So hat er sich das ihm gewidmete Konzert in der Kammermusikreihe unter dem Titel „Hommage à Kurtag“ wohlverdient. Und eingangs erwähnter Schüler-Lehrer-Reigen durfte als programmatischer Zusammenhalt des Abends dienen.
Freilich wurden da die familiär anmutenden ungarischen Beziehungen noch weiter forciert: Sándor Veress' „Memento für Viola und Kontrabaß“ erfuhr seine um zehn Jahre verspätete Uraufführung in memoriam Emericus Nagy und Paulus Maléter. Und wurde begeisternd vom 1. Solokontrabassisten Klaus Stoll in Gemeinschaft mit Walter Küssner an der Bratsche interpretiert. Zweimal schwingt sich das Stück aus ruhig-melodiösen Welten auf; beim ersten Mal gelingt gar ein großer, dramatischer Aufbau, die Bratsche blitzt virtuos, bevor sie eintönig-resigniert in einem auskomponierten Ritardando endet; beim zweiten Mal reicht die Erregung gar nicht mehr soweit, und im leeren Kreisen sich stets wiederholender Töne klingt das Stück im zweiten „Morendo“ aus.
Die Serenade op. 19 von Zoltán Kodály hatte das Konzert in der ungewöhnlichen Besetzung für Bratsche und zwei Geigen eröffnet. Das dreisätzige Werk überzeugt vor allem in seinen ersten beiden Sätzen. Dem kurzweiligen, zweithemischen Kopfsatz folgt ein „Lento ma non troppo“, das sich über durchgehaltenem Geigentremolo-Grund zu klagend-zurückgenommenen Bratschen-Einwürfen zunehmend zu einem Zwiegespräch mit der ersten Geige aufbaut; bis schließlich zur Coda das Geigentremolo unmerklich in rhythmische Ostinati mutiert.
György Kurtag, der Widmungsträger des Abends, steuerte seine Anfang der Achtziger entstandenen „Szenen aus einem Roman op. 19“ für Singstimme, Cymbal, Violine und Kontrabaß bei. Aus fünfzehn allesamt die Liebe betreffenden kleinen Aphorismen zusammengesetzt, referiert auch dieses Stück auf Kurtags bekannte Miniaturen-Technik. Und forciert obendrein Klischee- Technik: Walzerhaftes darf anklingen, die fallende chromatische Tonleiter nicht fehlen, regelrechte Baß-Riffs durchlaufen werden. Die Sängerin Claudia Barainsky, obwohl stimmlich den drei begleitenden Instrumenten kaum gewachsen, interpretierte engagiert und präzis. Wünschen aber würde man sich vielleicht, daß Kurtag zukünftig die Umblättergeräusche nach jeder der drei Miniaturen in seine Flickerlteppich-Musik miteinkomponiert – es wäre eine spannende neue Dimension. Nach der Pause vervollständigte Ernst von Dohnányis Klavierquintett op. 1 den Abend in brav Brahmsscher Manier. Fred Freytag
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