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Nachschlag

■ :zoviet france und AMM mit Ambient im Ballhaus Naunynstraße

Von Fischen und Bäumen war die Rede. Nur mit Ambient würden sich die Musiker nicht gern identifizieren, hieß es im Einführungstext zum Dienstagskonzert der „Urban Aboriginals“ im Ballhaus Naunynstraße. Auf der Bühne jedenfalls sah alles sehr technisch aus: Rund um Sampler, 4-Track-Recorder und diverse Hallkästchen des Elektroniker-Duos :zoviet france waren mindestens ebenso viele Mikrofone, Videokameras und Geräte aufgebaut. Ein medialer Vorhof zum anstehenden Donnerwetter.

:zoviet france arbeiten mit Klängen, die sich im Kreis drehen. Ein Grundbrummen wird ständig verzögert, mit Echoschleifen in verschiedene Tonhöhen transponiert und schließlich von einem Gurren oder Pfeifen begleitet. Mal kommt die Melodie dazu von einer Piccoloflöte, mal werden auch nur mongolische Gesänge hineingesampelt. Es ist erstaunlich, wie viele Handgriffe nötig sind, um den relativ engen Grad einzuhalten, auf dem sich der Klangfluß monoton bewegt. Nebenher wechseln sich Videobilder von Fisch- und Buchstabenschwärmen ab. Fast scheint sich so etwas wie ein Grundthema nach einer Stunde zu wiederholen, obwohl man da schon längst vom baßtiefen Brummen zu Regenplätschern übergegangen ist. Ein Deleuze-Fan war trotzdem enttäuscht – er hätte das alles viel besser auf der Stereoanlage seines Freundes abhören können.

Mit dem seit 30 Jahren bestehenden Improvisationskollektiv AMM verhält es sich indes völlig anders. Kein kratzender Sound, nicht die kleinste Kombination aus Feedback, präpariertem Klavier und Perkussion soll während ihres Auftritts zueinanderfinden. Alles fließt sehr zusammenhanglos und frei. Musik auf der Höhe der Dissonanz: Die einzelnen Ebenen, wenn nicht Plateaus, berühren sich nur knapp an den Rändern. In manchen Passagen ist die Stille nach dem Lärm das einzige Element, das die Instrumente auch räumlich verbindet. Zugleich reagieren die drei experimentierenden Musiker konzentriert auf alles, was sich abspielt. Jedes Gitarrenscratching von Keith Rowe wird mit einem spitz über die Becken geschabten Geräusch des Schlagzeugers Eddie Prévost kommentiert; und John Tillbury begleitet die harschen Rhythmen elegant, bisweilen mit chopinhaften Klavierparts. Das Ganze endet wie im Witz über Neue Musik: Das Publikum zögert erst eine Schweigeminute, bevor geklatscht wird. Man weiß nie, ob nicht noch etwas passiert. Harald Fricke

Heute, 22 Uhr: Live DJ-Mix mit Techno Animal, Tresor, Leipziger Straße 26a,; morgen 20.30 Uhr: Scanner und Swarf, Podewil, Klosterstraße 68, beide Mitte.

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