■ Nachschlag: Record-Release-Vorstellung von Gayle Tufts im Schloßpark-Theater
Bei Gayle Tufts spielt sich alles – das Leben & die Liebe – in der ersten Person ab. Nur der Ort ist noch wichtig, geschieht das Drama doch vorwiegend in der Stadt aller Städte, dort, wo Gott sich nur zum Biertrinken einfindet, weil sich die Sperrstunde nicht durchsetzen ließ. Eine Amerikanerin in Berlin also, aber wem sagt man das. Gayle Tufts ist Ulknudel, Wahr-Sagerin und Sängerin. Als letztere ist sie hervorragend. Kraftvoll wirft sie sich in die Texte und läßt sich von Rainer Bielfeldt gekonnt durch die Melodien führen. Zusammen zieren sie sich nicht. Das ist angenehm und kann, wie die reifen Jahrgänge eines Cabinet, ab jetzt auch zu Hause goutiert werden. Denn am Donnerstag abend stellte Tufts im Schloßpark-Theater die CD zu ihrem Programm „Absolutely Unterwegs“ vor. Und weil sie schon so schön dabei ist, wird sie dort auch nächste Woche noch drei Tage mit „The Best Of Berlin Suite“ gastieren.
„17 Jahre Boston, 13 Jahre New York, 5 Jahre Berlin, und das alles, obwohl ich erst 24 bin“, so Tufts' biographische Angaben. Ihr Alter rechtfertigt die verzweifelte Suche nach einem passenden Mann. Ewig verliebt sie sich in die Falschen. Mal sind sie bodygestylt, aber doof, mal sind sie schön, aber nicht zu haben, mal sind sie zwar klug, aber ansonsten – na ja. Die Wahl-Berlinerin kalauert sich durch die Wohnungen, Betten und Kühlschränke der Junggesellen. Da sie sich als Heteromane, die hinter dem Heteromann her ist, des öfteren in gutaussehende Schwule verliebt und auch der Pianist nicht verbirgt, daß er „in eine andere Kirche geht“, wird Sex – zumal der, der nicht stattgefunden hat – ausgiebig durchgehechelt. Das ist erfrischend. Zumindest, solange sich keine Wiederholungen einschleichen. Leider tun sie das. Unvergleichlich ist allerdings, mit welchem Gefühl für Melodie und Rhythmus Tufts ihren Cocktail aus Englisch und Deutsch zusammenbraut und sich um die die schöneren Worte so ihre Gedanken macht: „Wie kommt das heart in den Harzer Käse, wie das sin in Sinnlichkeit? Wie sex in Sechskornbrötchen, wie I in Zweisamkeit?“ Das Ganze ist gut für Frauen, die Männer vergeblich lieben, und für Männer, die Männer, die Frauen lieben, vergeblich lieben, aber auch für Frauen, die das Vergebliche an den Frauen, die Männer lieben, lieben. Keep in Berührung, Darling! Love on, Girl! Waltraud Schwab
Gayle Tufts: „The Best Of The Berlin Suite“, 1.-3.8., 20 Uhr, Schloßpark-Theater, Schloßstraße 38, Steglitz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen