■ Nachschlag: Seufz! Lach! "Frau Parker kann nicht schlafen" an der Neuköllner Oper
Wenn sie nicht so eine Aversion gegen das Schäfchenzählen hätte, wäre sie schon längst eingeschlafen. Wenn sie ihre Fingernägel lackiert hätte, wäre wenigstens etwas geschafft. Und wenn das Telefon endlich klingeln würde, wäre sie die glücklichste Frau der Welt. Doch so ...
„Frau Parker kann nicht schlafen“ heißt es diesmal an der Neuköllner Oper, frei nach Geschichten und Gedichten der unlängst wiederentdeckten amerikanischen Schriftstellerin Dorothy Parker. Deren Texte, von ätzendem Humor, sind ein Publikumsmagnet, und so sitzt die kleine Garderobe der Neuköllner Oper voll (nur drei Reihen, aber mindestens zwanzig Sitze nebeneinander), während Peter Lund die Hände ringt und wieder einmal bittet, „noch ein bißchen zusammenzurücken“. Dafür aber gibt die Neuköllner Oper auch ihr Bestes. Eine gestopfte Trompete verströmt gequälten Charme. Anna Bolk ist Dorothy Parker ist jede Frau, und sie ist auf den Beinen, um dem Leben ein bißchen Sinn abzutrotzen. Doch die geprobten Rollen, die weiblichen Selbstinszenierungen – blasierte Diva, liebe Freundin, vulgärer Vamp –, passen nicht. Die Maske rutscht, die Pose wackelt – und im Alltag lauern schlechte Tänzer und die Einsamkeit.
„Frau Parker kann nicht schlafen“ ist ein bitterböser musikalischer Monolog mit einer dramatischen und musikalischen Konzeption (Regie: Adriana Altaras, Musik: Wolfgang Böhmer), die den mitleidlosen Blick Parkers auf ihre Zeitgenossen sicht- und hörbar werden läßt. Kaum hat sich das Gesicht der Anna Bolk zum Weinen verzogen, hat sich der Trompete ein balladesker Stoßseufzer entrungen und das Vibraphon zu flirrender Innerlichkeit aufgespielt, da wechselt – zack – die Stimmung. Ist die gehässige Kuh, die ihre Schmähreden gegen andere abfeuert, tatsächlich die unglückliche Kreatur von eben? Klang das Klavier denn immer schon so böse angeschrägt? Anna Bolk stöckelt übers Baugerüst (das inhaltlich keinen Sinn macht, aber den Platz in der winzigen Garderobe wenigstens nach oben hin ausschöpft), tanzt nervöse Walzer, ist witzig, fetzig, pathetisch, echt und hält die kurzen Sequenzen mit Spannung zusammen. Sicher, das Leben ist sinnlos, na und? Frau Parker kann nicht schlafen – und alle fühlen, warten, lachen mit. Christine Hohmeyer
Weitere Aufführungen: 20.–22., 25., 26.2. und 4. und 5.3., jeweils 20 Uhr. Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131–133
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