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■ NachschlagSelbstzerfleischung a gogo: Die Fassbinder-Clique vertheatert

Fünf Männer und ein Guru. Sie arbeiten zusammen, leben zusammen. „Wo ich meine Liebe hintue, bleibt mir überlassen“, sagt Fassbinder und hat sie alle in der Hand. Ein Kollektiv wollten sie sein, eine Kommune, aber doch ist wieder einer der Motor des Ganzen, der Chef, dem alle liebend und in Abhängigkeit verfallen sind.

Das Theater Mahagoni aus Hildesheim hat aus Interviews, Selbstzeugnissen der Fassbinder-Clique (wie die Lebenserinnerungen Peter Berlings, Harry Baers und Kurt Raabs) und seinen Theater- und Filmprojekten eine ironisch-distanzierte Collage erarbeitet. Albrecht Hirche ist Fassbinder, ein launischer Herrscher im weißen Mafiosi-Sakko. „Du bist ein Schwein“, wirft einer seiner namenlosen Mitstreiter Fassbinder vor. Solche Momente des Aufbegehrens nimmt der selbstherrliche, arrogante RWF gelassen zur Kenntnis: „Das wissen wir doch längst.“ Die weitgehend schwule Gruppe zerfleischt sich in diesem Liebes- und Beziehungschaos. Die offen ausgetragenen Neurosen verhindern längst die künstlerische Produktivität. Man spricht von „Anarchie in Bayern“ und träumt heimlich vom kleinbürgerlichen Idyll. Als eines der letzten Bilder flimmern die Aufnahmen einer putzigen Puppenstube über die aufgestellten Fernsehmonitore. Das geheime Glück kennt Filzpantoffeln und Einbauschränke.

Immer wieder läßt Regisseurin Kathrin Krumbein ihre Protagonisten mit Videokameras das Bühnengeschehen verdoppeln, in einer eigenen, die Stilmittel Fassbinders zitierenden Bildsprache brechen. Ein Einsatz mit dramaturgischem Eigensinn. Nur dem versierten Fassbinder-Kenner allerdings wird es gelingen, die jeweiligen Quellen für die 22 rund um einen Bartresen angesiedelten Spielszenen zu erkennen. Hier ein Fetzen aus „Faustrecht der Freiheit“, dort eine Szene aus „Chinesisches Roulette“. Um so erstaunlicher, wie sehr diese unterschiedlichen Werkzitate immer wieder auf die gleichen Grundkonflikte hinauszielen: Dem Versuch, sich aus den bürgerlichen Zwängen herauszuwinden, und die Unmöglichkeit, eine Liebe ohne Abhängigkeit zu leben. Axel Schock

„RWF“. Bis 21. März, täglich 20 Uhr, Theater zum Westlichen Stadthirschen, Kreuzbergstraße 37, Kreuzberg

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