■ Nachschlag: „Riz Happy End Kosmetik“ – 100 Jahre Werbefilm in der Urania
Aus Werbung kann ein Spielfilm werden, wenn man sie nur konsequent auf zwei Stunden hintereinander schneidet. Heinz H. Buschko, ehemaliger Werbefilmer, stellte in der Urania sein Programm „100 Jahre Werbefilm – Die historische Rolle“ mit über fünfzig Spots vor. Die Palette reichte von den Stummfilmen der zehner Jahre bis zur TesaKrepp-Werbung der Siebziger. Erstaunlich gut war dabei nicht nur die Evolution der Technik, sondern auch die der Konsumenten zu beobachten. In „Lottis Kittelchen“ mußten Vater, Mutter und Kind noch ganze zehn Minuten sehr darüber staunen, daß sich der Schmadder auf dem Kittel im Protos Waschautomat wie von selbst verflüchtigt.
Am faszinierendsten jedoch war das Potpourri der bunten Werbeblüten, die das Wirtschaftswunder trieb. Kreiselten 40 Jahre zuvor noch stumme Maggiflaschen in allen Größen drei Minuten lang über einen kahlen Holztisch, so versuchte Anfang der Fünfziger bereits Maggi-Fridolin, die wohlgenährte Großfamilie mit seinem Gaumometer (Geschmacksmesser) davon zu überzeugen, das Essen mit „Fondor“ zu würzen. Das demokratische Nachkriegsbewußtsein der Deutschen veranschaulichte am besten der Spot für das Mottenschutzmittel „Globol“, der versicherte, daß gegen Mottenattacken „nicht mal mehr die UNO hilft“. Und wenn man sieht, daß das Make-up, das deutsche Trümmerfrauen in ansehnliche Grace Kellys verwandeln sollte, „Riz Happy End Kosmetik“ hieß ...
Heutigen MTV-Sehgewohnheiten am nähesten waren die zum Teil über 30 Jahre alten Spots des Berliner Werbefilmers Hello Weber, dem auch der Abend gewidmet war. Ideologisch scheinen sie aber von einem anderen Stern zu kommen: Gleiten heute Opel Omegas durch die wonderful world der schwäbischen Alp, so freuten sich Ende der Sechziger die unkritischen Konsumenten noch über eine ins Abendrot aufsteigende Lufthansa-Maschine, die unverblümt ihren Dreckschweif hinter sich herzieht. Kerosin als Metapher für Freiheit! Ebenso undenkbar wäre heute wohl Webers Werbespot für Berlin, der Busen und Hintern junger Berlinerinnen als Sehenswürdigkeiten dieser Stadt illustrierte. Ania Mauruschat
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