piwik no script img

■ NachschlagVier brasilianische KünstlerInnen stellen in der Knesebeckstraße aus

Über die gemeinsame Herkunft aus Brasilien hinaus verbindet die Arbeiten von Isabelle Borges, Lucia Koch, Merepe und Mario Ramiro das Licht. Es ist der Leitfaden für unterschiedliche Herangehensweisen von Malerei, Assemblage und Installation bis zur Fotografie. So heißt ihre Ausstellung „Wechselstrom“, was im Sinne ästhetischer Energieströme gemeint ist. Licht wird mit Wärme, Helligkeit, Hitze, Feuer, Geist, Poesie, Spiritualität assoziiert. Die Gemälde von Isabelle Borges gehen auf elektronisch bearbeitete Fotos von „Ex-votos“ als Vorlagen zurück. Es sind Körperteile von wächsernen Puppen, die in Kirchen Nordbrasiliens hängen, Opfergaben, die als Zeichen einer durch den Glauben ermöglichten Heilung zu verstehen sind. Der Kontrast zwischen den goldbraunen, unwirklich schwebenden Köpfen und dem schwarzen Untergrund läßt die Bilder fast abstrakt erscheinen, wie Chiffren von Übersinnlichkeit und Transzendenz.

Lucia Koch bezieht in ihrer Arbeit „Briefe“ Licht ganz real ein. Kleine Metallrähmchen, die sonst als Fassung von Lichtschaltern unter dem Putz verlegt werden, hat die Künstlerin auf die Wand montiert und zur visuellen Botschaft umfunktioniert: Wie Worte reihen sie sich aneinander, wobei die ausgestanzten Blechschlitze – mal leer, halb geöffnet oder mit farbigen Filtern ausgefüllt – auf der Wand durch das Raumlicht eine Art Subtext aus Schatten bilden.

Merepe arbeitet mit Alltagsmaterialien, die er in altarähnliche Installationen überführt. Aus Kisten, Gläsern und Essensresten hat er ein „Eßzimmer“ aufgebaut, ein improvisiertes Mahl im Freien. Das laute Surren von grillenähnlichen Insekten läßt an tropische Hitze denken, vielleicht gar an „Samba“ (so der anzügliche Markenname von Zündwürfeln, die als Fundstück in einer Gemeinschaftsvitrine der vier liegen). Die Grillen sind aus Blech, made in Asia, und ihr Lärmen verdankt sich der Sonnenenergie. Mario Ramiro benutzt Fotografie und Laserlicht. Im Rückgriff auf die Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland entwickelte Schlierenfotografie kann er die von Körpern ausgehende Wärme im Bild sichtbar machen. Sie erscheint feuerähnlich, wie eine göttliche, verzehrende Energie. Ramiro zeigt, daß auch der leere Raum angefüllt und voller Bewegung ist. Unangestrengt, mit Charme und Humor macht die Ausstellung deutlich, daß „hohe“ Technik und „niederer“ Glauben, Heiliges und Banales aus ähnlichen Quellen schöpfen. Michael Nungesser

Brasilianisches Kulturinstitut in Berlin, Knesebeckstraße 20/21, Charlottenburg, bis 6. Juli, Mo-Fr 12-18 Uhr, Mi geschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen