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■ NachschlagHornbrillenblues: „Oleanna“ im Hackeschen Hoftheater

Eine Studentin kommt in die Sprechstunde ihres Professors. Ihre Seminararbeit ist schlecht, sie versteht nicht, worum es überhaupt geht. Der Professor bietet ihr an, den Stoff noch einmal privat zu rekapitulieren und legt mit herablassender Fürsorge seinen Arm um ihre Schultern. Am Ende hat er eine Klage wegen sexueller Belästigung und versuchter Vergewaltigung am Hals. Seine Karriere ist zerstört. Jetzt versteht er nichts mehr.

Mit „Oleanna“, dem Stück von David Mamet, war Political Correctness, hierzulande bis dahin bloß aus den Kolumnen der Amerika-Korrespondenten bekannt, Anfang der neunziger Jahre zum ersten Mal auf der Bühne zu besichtigen. In Berlin zum Beispiel im Kreuzberger Ratibor Theater und in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Im Hackeschen Hoftheater inszenierte nun noch einmal Martin Eckermann das amerikanische Erfolgsstück, ein verdienter Regisseur des abgewickelten DDR-Fernsehens.

„Oleanna“ lebt von der Dynamik eines Machtwechsels. Erst ist die Studentin die Unterlegene und der Professor auf der Höhe seiner Macht, von wo aus er wohlwollend Ratschläge erteilt. Am Ende hat sie, zur moralischen Furie gereift, die Oberhand und zerquetscht ihn wie eine Laus. Im Hoftheater allerdings ist der Professor (Mathis Schrader) von Anfang an ein Verlierertyp. In seinem knapp sitzenden grauen Flanellanzug wirkt er wie ein DDR-Provinzbürokrat, mit dem schnurlosen Telefon wichtig wedelnd, mit aufgesetzter Geste sich durchs fettige Haar fahrend. Er redet, als habe er die Fremdwörter, mit deren Gebrauch er die Studentin so verunsichert, erst selbst vor kurzem gelernt.

Carol, die Studentin (Rike Eckermann), in modische Brauntöne gekleidet, die schicke Hornbrille wirkungsvoll auf- und absetzend, ist dagegen von Anfang an auf der Höhe der Zeit. Selbst in ihrer Verunsicherung wirkt sie noch souverän. Und zum Schluß ist ihr Sieg eigentlich keiner, denn der Mann hätte sich ohnehin von selbst erledigt, und der Verlauf der Handlung besiegelt nur eine Niederlage, die von Anfang an schon abzusehen war.

Und manchmal denkt man beim Zuschauen, daß der Regisseur hier kein Stück über Macht und Machtmißbrauch, sondern das Drama seiner eigenen Abwicklung inszeniert hat. Daß es hier gar nicht um einen Macht-, sondern um einen Zeitenwechsel geht. Aber das ist wohl eine andere Geschichte. Esther Slevogt

Noch bis Samstag und vom 16. bis 23.12 im Hackeschen Hoftheater, Rosenthaler Straße 40, Mitte

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