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■ NachschlagJohanna Schall inszenierte die Urform von Opas „Dickicht“ im DT

Wenn ab sofort jede Bearbeitungsstufe aller Stücke von Bertolt Brecht uraufgeführt werden soll, dann hat eine regieführende Enkelin ausgesorgt. Über die Vorstufen zum „Puntila“ mitten hinein in den dreifach eingesprungenen „Galilei“, das wär' doch was! Chronologisch korrekt hat Johanna Schall mit der etwas grobschlächtigeren „Urfassung“ von „Im Dickicht der Städte“ begonnen: „Im Dickicht“ von 1922. „Fassung des DT“, steht da noch – wenigstens innerfamiliär scheint Werktreue relativ zu sein. „Im Dickicht“ also und Schall und Deutsches Theater. Mehr aber noch: Dominique Horwitz und Götz Schubert als Shlink und Garga. These und Antithese im Chicago der 10er Jahre. Der malayische Holzhändler Shlink ist reich, der Angestellte Garga ist arm. Einer paßt sich dem Leben an, der andere scheitert an allem (Suff). Unglücklich sind beide. Shlink will Garga seine Meinung abkaufen, letzterer verkauft schließlich auch, aber weil ihm die Regeln des Kapitalismus schnuppe sind, nutzt ihm nicht, was er dafür bekommt. Alles mündet im Unglück, am Ende gar in Lynchjustiz: der Volksfeind als synthetische Figur.

Bei Horwitz als Shlink und Schubert als Garga spürt man die homoerotische Komponente von Anfang an. Das ist die Stärke der Darsteller und die Schwäche der Inszenierung. Denn ohne den prinzipiellen Gegensatz zwischen den beiden versteht man nicht, warum die jeweilige Clique gleich mit am Abgrund baumelt und wundert sich nur, warum bei Johanna Schall alle immerzu rufen, statt zu sprechen, und ziellos auf der vollgerumpelten Drehbühne herumrennen. Horwitz und Schubert indessen geben zwei Varianten hollywoodvollkompatibler Charismatiker: der eine bedingungslos smart, der andere bedingungslos schwach. Man schaut sich beide gern an, aber nicht dreieinhalb Stunden. Auch verlieren sie sich im Gewühl immer mehr. Die Figur eines riesigen, vom Himmel gefallenen Fliegers (Bühne: Philipp Stölzl) liegt invalid und löchrig herum und will etwas bedeuten, eine Dame von der Heilsarmee hat hörbar den Blues, und auch sonst ist allerhand los, ohne daß etwas passiert. Petra Kohse

Wieder am 2. und 16.1., 19.30 Uhr, DT, Schumannstraße 13

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