■ Nachschlag: Wider die Legendenbildung – Eine Lesung mit Michael Wolffsohn
Wer ein heißes Kampfgespräch erwartet hatte, sah sich getäuscht. Michael Wolffsohn, der jüdische Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München, und Abdallah Frangi, der Generalbevollmächtigte der PLO in Bonn, sind seit langem Freunde und führten längst vor Peres, Rabin und Arafat einen israelisch-palästinensischen Dialog. Den wollten sie in der völlig überfüllten Schleicherschen Buchhandlung aus Anlaß des Erscheinens von Michael Wolffsohns neuem Buch „Die ungeliebten Juden“ fortführen.
Wolffsohn begann damit, daß es zu viele Legenden über Israel gebe. Umfragen der verschiedensten Institute zeigten, Israel sei in Deutschland im internationalen Vergleich das unbeliebteste Land. Dieser Antiisraelismus, den man nicht mit Israel-Kritik verwechseln dürfe, sei eine neue Form des Antisemitismus. Darum wolle er in seinem Buch Legenden zerstören, um Platz für historische Fakten zu schaffen. Wolffsohn, der von den Rechten in Israel stark angegriffen wird, nennt dabei keineswegs nur Fakten, die Israel verteidigen. Anhand neuer Dokumente etwa kann der Historiker aufzeigen, welche Friedensmöglichkeiten Israel in den 50er Jahren verspielte.
Abdallah Frangi, der danach sachlich seine Sicht der Dinge darstellte, lobte das Buch ausdrücklich, auch wenn er manchen Aussagen Wolffsohns widersprach. Als dann das Publikum Fragen stellen konnte, empörte sich eine Dame: „Ich habe hier eine harte Auseinandersetzung erwartet!“ Schließlich habe Wolffsohn doch in seinen anderen Büchern antipalästinensische Positionen bezogen und sich keineswegs als friedliebend ausgewiesen. Für Wolffsohn ein klarer Fall von Legendenbildung. Er habe immer betont, Friede für Israel gebe es nur mit, nicht gegen die Palästinenser, denen er übrigens von Herzen einen Staat wünsche. Andere Zuhörer waren über das vermiedene Streitgespräch dankbar. So konnten in aller Ruhe die Fragen nach Frieden und Terrorismus, nach Netanjahu und der israelischen Gesellschaft gestellt und von Frangi und Wolffsohn kompetent beantwortet werden.
Eingeführt ward der Buchautor denn auch so: „Wolffsohn steht in der Tradition, in der viele seines Volkes standen. Er ist ein Aufklärer.“ Mit seinem Buch gelingt Wolfssohn tatsächlich erneute Aufklärung. Bleibt zu hoffen, daß es auch die lesen, die sich längst ein Bild über Israel gemacht haben. Hedwig Richter
Michael Wolffsohn: „Die ungeliebten Juden. Israel – Legenden und Geschichte“. Diana-Verlag, 44 DM.
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