■ Nachschlag: Wanderungen durch die Metropole – Stattreise mit Fontane
Während man fast drei Stunden vom Görlitzer Bahnhof, wo die Stattreisen-Wanderung losgeht, bis zum Gendarmenmarkt läuft, streift man die Baustellen der aktuellen Gründerzeit und erfährt dabei viel von der ersten: wie Fontane sie erlebte und beschrieb, als Berlin schon einmal vom Provinznest zur Metropole und deutschen Hauptstadt aufstieg. Die Bauvorhaben gleichen sich: Stadtbahnhöfe, Reichstag, Luisenstädtischer Kanal, Passagen an der Friedrichstraße. Auch die Spekulanten sind zurückgekehrt, das „wohlhabende Speckhöckertum, das sich für 1000 Taler malen läßt und erwartet, daß man das Geschmiere für einen Velazquez hält“. Das liest Ute Schüling, die Leiterin der Tour, an einer zugig-schönen Stelle an der Spree, gleich hinter der Köpenicker Straße. In dieser Gegend spielt „Frau Jenny Treibel“.
Man kam vom Mariannenplatz hierher, vom ehemaligen Bethanien-Krankenhaus. Nebenan ins Ärztewohnheim zog Fontane 1848, als er im Krankenhaus eine Stelle als Apotheker antrat. Bei Flintengeknatter, wie man hört, denn 1848 war in Berlin Revolution. Die 25 Spaziergänger wandern durch die langen Flure des heutigen Künstlerhauses, das 1943 nach Plänen von Ludwig Persius erbaut worden ist, drücken sich an einer Glastür die Nasen platt, hinter der Fontanes Apotheke heute noch zu sehen ist.
Fontane ist schon fast ein alter Mann, als er endlich die Geldsorgen los ist und nur noch das tun kann, was er schon immer wollte: schreiben. Bis dahin schlug er sich so durch, wohnte mit der Familie Wohnungen trocken, weil das billig war. Drei Kinder sterben früh, vermutlich auch an den Verhältnissen. Wir hören das am Bahnhof Friedrichstraße, die Bibliothek der Humboldt-Universität im Rücken, zu Fontanes Zeiten Preußische Akademie der Künste, wo er einen ungeliebten Job in der Verwaltung hatte. Wir passieren die Dorotheenstädtische Apotheke, dort war Fontane bis 1948 Azubi. Überqueren die Linden und gehen zum Gendarmenmarkt. Hier endet die Tour, und hier hat es auch Fontane endlich geschafft: berühmter Schriftsteller und gefürchteter Theaterkritiker für die Vossische Zeitung; Stammgast im legendären Café Stehlely, wo im zensurbeherrschten Preußen trotzdem die wichtigsten Zeitungen auslagen. Und hier zerstreut sich dann die Gruppe in Richtung Französischer Dom, wo schon der Hugenotte Fontane betete. Esther Slevogt
Termine: jeden 1. Freitag im Monat, 19 Uhr; jeden 3. Sonntag im Monat, 14 Uhr; Infos: Stattreisen, Tel. 4553028
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