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■ NachschlagShowcase Beat Le Mot mit „Radar, Radar – nichts ist egal“ im Prater

Das Bier war abgelaufen. 07/98, unten auf dem rückwärtigen Etikett meiner schalen Flasche Herforder Pils. Die jungen Damen an der Bar – sozusagen auf nicht mehr ganz frischer Tat ertappt – nickten schuldbewußt. „Aber wir haben vorher probiert, und es schmeckt noch genau wie im Juli.“ – Solches geschah am Rande der Veranstaltung „Radar Radar – nichts ist egal“. Doch gab es so was überhaupt – einen Rand? Anfang, Mittelteil, Schluß? Die fünf Freunde von „Showcase Beat Le Mot“ – don't ask for translation – gehören zu jenen Performern, die aus der in letzter Zeit schwer gehypten sogenannten Neuen Gießener Schule hervorgegangen sind. Unklar, ob es je eine alte gab – jedenfalls spuckt die Gießener Fakultät für angewandte Theaterwissenschaft innovative Projekte aus wie lauter feine Goldtalerchen.

Ins Theater zu gehen heißt im Fall von SCBLM nicht, sich in angemessener Garderobe und mit trostreichen Programmheft-Fußnoten versehen ein Stück anzuschauen. Aus der Zigarette danach werden Zigaretten dabei, so daß es über den Stehlampen bedächtig und atmosphärisch qualmt. Im Hinter- und manchmal auch Vordergrund Musik vom Mischpult. Auf dem Platz, der noch bleibt, vollführen die fünf jungen Herren miniaturhafte Bewegungschoreographien, was sich im synchronen Tauchen der Köpfe in Aquarienbecken äußern kann oder im fernöstlich inspirierten Schattenkampf mit Langlaufskiern. Zwischendurch werden durch abstruse Details miteinander verbundene Geschichten erzählt, von Künstler-Freunden („Selbstekel ist eine Erfahrung, die man auch anderen mitteilen möchte, gerade auf dem Theater“), Hochhäusern in Hongkong, Büros für Desinformation in Buenos Aires – und immer wieder vom Fußball, der als roter Faden dient. Dazu erläuternde Beispiele in Ton und Bild (Video, Dia, Overhead-Projektor), Reverenzen an Goetz & Kroetz, Enki Bilal und Spektrum der Wissenschaft. Von zwei gemächlichen Pausen unterbrochen, plätschern die Tracks so dahin, ab und an höchst kurios, dann wieder endlosschlaufig redundant. Aber das ist ja Absicht.

Zitieren, sampeln, mixen – vermittels eines praktischen DJ- Instrumentariums und theoretischen Bestecks, wahrscheinlich aus dem Deleuze-Seminar, fummeln die jungen Herren einen freundlich-unaufdringlichen, doch sehr speziellen Abend zusammen. Ob Pop oder wahnsinnig innovatives Theater oder eine Blüte elitärer Club-Culture, „egal, egal“. Gunst des Augenblicks, wenn man sich plötzlich eines längst klassischen Satzes von Duchamp entsinnt: Schöpfer des Kunstwerkes sind zu gleichen Teilen die Künstler und die Betrachter. Daß das irgendwie hinhauen muß, zeigt die Nacht bei „Radar, Radar“. Eva Behrendt

Heute und am 9.8., 21 Uhr im Prater, Kastanienallee 7

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