Nachruft auf Menschenrechtsaktivistin: Ein großer Verlust für Pakistan
Die verstorbene Asma Jilani Jahangir setzte sich in Pakistan für Demokratie ein. Und gegen Todesstrafe, Ehrenmorde und Kinderarbeit.
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Sie habe „der Macht die Wahrheit ins Gesicht gesagt“ – so charakterisieren Trauernde in vielen der zahllosen Reaktionen in den sozialen und konventionellen Medien Asma Jilani Jahangir, Pakistans führende Menschenrechts- und Demokratieaktivistin, die am Sonntag in ihrer Heimatstadt Lahore einem Herzversagen erlag. Sie wurde nur 66 Jahre alt.
Geboren wurde Asma Jahangir 1952, fünf Jahre nachdem Pakistan als Heimstatt der Muslime auf dem indischen Subkontinent gegründet worden war. Gemäß Staatsgründer Muhammad Ali Jinnah sollte es eigentlich ein säkulares Staatswesen werden, aber es driftete ab in Militärputsche und Islamisierung. Die Verteidigung von Jinnahs Idee zog sich als roter Faden durch das Leben der kleinen, äußerst resoluten, privat humorvollen und warmherzigen Frau. Der Hass der Mullahs und des Militärs begleitet sie zeitlebens.
Asma Jahangir war sechs Jahre alt, als ihr Vater, ein wohlhabender Landbesitzer, seinen Beamtenjob aus Protest gegen den ersten Putsch niederlegte und zum Oppositionellen wurde. Die Mutter, damals eine der wenigen Musliminnen Pakistans mit College-Abschluss, eröffnete eine Modefirma, als die Junta das Land der Familie konfiszierte.
Mit 17 organisierte Asma Jahangir ihre erste Demo, einen Frauenprotest gegen die Militärdiktatur. Seither hat die studierte Juristin, die es bis ans Oberste Gericht des Landes schaffte, bei allen prodemokratischen Kämpfen mit an der Spitze gestanden. Als sie 1983 gegen die Islamisierung des Landes und die Einführung repressiver Scharia-Gesetze unter Militärdiktator Zia-ul-Haq protestierte, landete sie erstmals im Gefängnis. Ein Bild aus dieser Zeit, das in Pakistan eine Ikone ist, zeigt sie in ihrer Anwaltsrobe, wie sie sich wütend gegen zwei Schlagstöcke schwingende, Kopftuch tragende Polizistinnen wehrt.
Sie setzte sich gegen sogenannte Ehrenmorde, Kinderarbeit, die Todesstrafe und extralegale Hinrichtungen durch den Geheimdienst ein, verteidigte Frauen, die nach Vergewaltigung des „Ehebruchs“ angeklagt wurden, und Angehörige religiöser Minderheiten gegen Blasphemie-Vorwürfe. Mit ihrer Schwester Hina Jilani gründete sie 1980 die erste von Frauen geleitete Anwaltskanzlei des Landes, später das erste Rechtshilfezentrum, das arme Pakistaner kostenlos beriet, sowie eine Zufluchtsstätte für misshandelte Frauen.
1986 war sie Mitbegründerin, danach lange Generalsekretärin der Unabhängigen Menschenrechtskommission Pakistans. Sie half 2001 der UNO, eine solche Kommission in Afghanistan auf den Weg zu bringen. Sie wurde UN-Sonderberichterstatterin für Glaubensfreiheit und zuletzt Berichterstatterin für Menschenrechte in Iran.
Die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, Pakistans zweite Menschenrechtsikone, tweetete: „Ich kann nicht glauben, dass sie nicht mehr mit uns ist. Die beste Würdigung für sie ist, den Kampf für Menschenrechte und Demokratie fortzusetzen.“
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