Nachruf: Wiesel würgt Weltmaschine
In der linken Ringecke: ein 3 Milliarden Euro teurer und 27 Kilometer langer Teilchenbeschleuniger, an dem 10.000 Wissenschaftler und Techniker aus über 100 Staaten mitgearbeitet haben. In der rechten Ecke: ein Wiesel. Das Tier hat den ungleichen Kampf gewonnen und den Large Hadron Collider (LHC) bei Genf in die Knie gezwungen.
„Weltmaschine“ (LHC), „Gottesteilchen“ (Higgs-Boson). Darunter machen es die Jungs der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) nicht. Aber sie liefern auch. Mithilfe des Teilchenbeschleunigers gelang 2012 der Nachweis des Higgs-Bosons. Erst mit diesem kleinsten und wichtigsten Teilchen ist das „Standardmodell der Teilchenphysik“ komplett.
Nun sind die Cern-Forscher der Dunklen Materie auf der Spur. Dafür sollte der LHC nach umfangreichem Umbau seit Juni 2015 drei Jahre am Stück laufen. Doch dann besuchte am Freitagmorgen das „Weasel“ (Wiesel) den unterirdischen Ringtunnel zwischen französischem Jura und Genfer See, wie Cern-Sprecher Arnaud Marsollier der BBC mitteilte.
Das kleine Raubtier wird von den Nachrichtenagenturen wahlweise als „Wiesel“, „Marder“ oder „Steinmarder“ bezeichnet. Tatsächlich sieht das so aus: Wiesel gehören zur Gattung Mustela, die wiederum Teil der Familie der Mustelidae (Marder) ist.
Zurück zur Tat: Das Wiesel schlich sich gegen 5.30 Uhr in einen 66.000-Volt-Transformator. Dadurch löste es laut Cern eine „schwere Stromstörung“ aus – und wurde leider getoastet. Die Reparaturen würden einige Tage dauern, teilte das Cern mit, den LHC danach wieder hochzufahren dauere rund zwei Wochen.
Im Betriebsprotokoll liest sich das so: „Not the best week for LHC!“ („Nicht die beste Woche für den LHC!“) – für das Wiesel sicher auch nicht.
Die größte Maschine der Welt ist nicht zum ersten Mal Opfer eines tierischen Anschlags geworden: Im November 2009 hat ein Vogel ein Baguette in einen Kondensator geworfen. Das verkraftete das Kühlsystem nicht. Damals hingegen ging die Sache für das Tier gut aus, wie das Cern mitteilte: „Er hat sein Brot verloren, aber der Vogel entkam unverletzt.“ Patrick Loewenstein
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