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NachrufDem Kino am nächsten

■ Ein Meister der Postmoderne: Der verstorbene Architekt Aldo Rossi

Sein jüngstes Werk steht hier gleich um die Ecke, in der Berliner Schützenstraße, keine fünf Minuten vom taz-Gebäude entfernt. Es ist ein ganzer Häuserblock und er wirkt so bunt und heiter wie wenige andere Gebäude, die Aldo Rossi in seiner langen, erfolgreichen Laufbahn als Architekt und Stadtplaner entworfen hat. Gestern ist Aldo Rossi im Alter von 66 Jahren in Mailand an den Folgen eines Autounfalls gestorben.

Aldo Rossi wurde 1931 in Mailand geboren. Eigentlich hatte er Filmregisseur werden wollen, statt dessen ließ Rossi sich – angeblich seiner Mutter zuliebe – in seiner Heimatstadt zum Architekten ausbilden. Den Ausspruch, er habe diesen Beruf gewählt, weil die Baukunst „dem Kino am nächsten“ käme, haben später sowohl seine Parteigänger wie seine Gegner immer wieder gern zitiert.

In Architektenkreisen bekannt wurde Rossi vor allem wegen seiner theoretischen Äußerungen. Neun Jahre, von 1955 bis 1964, arbeitete er in der Redaktion der Architekturzeitschrift Casabella-Continuita, 1965 erhielt er einen Ruf an das Mailänder Polytechnikum. Im Jahr darauf veröffentlichte der bekennende Kommunist sein Buch „L'archittetura della cità“ („Die Architektur der Stadt“), das einer ganzen Generation von Architekten als eine der wichtigsten und einflußreichsten architektonischen Schriften überhaupt galt. Die Thesen, die Rossi darin vorbrachte, haben heute eher historischen Wert, zum Zeitpunkt ihres Erscheinens aber lösten sie erhebliches Aufsehen aus. Rossi plädierte dafür, das gewachsene Gefüge einer Altstadt als „innerstädtisches Monument“ zu betrachten und – zumindest in seiner äußeren Form – zu erhalten. Zusammen mit seinem Postulat der „Austauschbarkeit der Inhalte“ bedeutete dies nicht nur der Startschuß für die sogenannte Postmoderne in der Architektur, der Mailänder Uni waren die Theorien des der KPI nahestehenden Rossi Anlaß genug, den Architekten 1971 vom Dienst zu suspendieren.

Die wichtigsten Stationen seiner Karriere sind die Berufung an die Eidgenössisch-technische Hochschule (ETH) in Zürich 1972, seine Lehrtätigkeit am Lehrstuhl „Compositione Architettonica“ der Hochschule von Venedig (ab 1975) und – am gleichen Ort – die Leitung der Sektion Architektur der Biennale (bis 1983). Seine bedeutendsten Bauten sind die Oper in Genua, die Anlage des Friedhofs San Cataldo in Modena sowie das 1994 fertiggestellte Bonnefanten-Museum im holländischen Maastricht. Auch in Berlin hat Rossi unübersehbare Spuren hinterlassen: Er war maßgeblich an der IBA beteiligt, 1988 gewann er den (dann nicht realisierten) Wettbewerb für das Deutsche Historische Museum. Mit Architekturformen hat Rossi bis zuletzt gespielt: In sein bereits erwähntes „Schützen-Quartier“ integrierte er Zitate des von Sangallo begonnenen, von Michelangelo vollendeten Palazzo Farnese in Rom. Ulrich Clewing

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