Nachruf auf Ulrich Reineking II: Der Beteiligte
Ulrich "Redsox" Reineking liebte Spitznamen als Signal seiner Involviertheit
Das digitale taz-Archiv zählt 855 Treffer bei der Suche nach dem Autorennamen "Reineking". Der erste archivierte Text stammt vom 11. 8. 1989 und hat die Überschrift "Waller Heimatkunde". Walle ist ein Stadtteil von Bremen, aber was Ulrich Reineking über Walle herausgefunden hat, ist nicht festgehalten: Angezeigt wird in diesem Fall nur die Überschrift. Und angezeigt wird der volle Autorenname, der damals nicht "Reineking" lautete. Sondern "Reineking-Drügemöller".
Ulrich Reinekings damalige Frau hieß Drügemöller, und seine Texte hießen, angelehnt an den Doppelnamen "Urdrüs Kolumne", später "Urdrüs wahre Kolumne".
Lange Jahre gibt es im Archiv den Autor Ulrich Reineking-Drügemöller. Das ändert sich im März 1995. Auf einmal steht da "Ulrich Reineking-etc.". Dann "Ulrich Reineking-Drückeberger", "Ulrich Reineking-Drüsenstörung", "Ulrich Reineking-Drüpunkt". Bis es nur noch hieß "Ulrich Reineking".
Es ist die Geschichte einer Trennung, die sich am Ende einer Kolumne abspielte, die von Politikern, Wrestling, Bier, Adeligen und Alltagsbeobachtungen handelte. Eine Trennungsgeschichte, die öffentlich nachvollziehbar war - aber die nur mitbekam, wer so aufmerksam las, wie Reineking beobachtete.
Ulrich Reineking stammt aus dem niedersächsischen Möllenbeck, er machte Abitur in Rinteln und studierte Theologie, Psychologie und Philosophie in Braunschweig und Berlin. Danach arbeitete er als freier Journalist und Autor, unter anderem für Radio Bremen und den Bremer Lokalteil der taz. In Bremen baute er das Kabarett "Galerie des Westens" auf. 1995 holte ihn sein Bruder zur Schaumburger Zeitung, wo er als Redakteur arbeitete. Dazu trat er weiter als Kabarettist auf. Und schrieb fortwährend "Urdrüs wahre Kolumne" in der taz.
Die Idee, den Inhalt der Kolumne im eigenen Namen zu spiegeln und so die eigene Involviertheit zu dokumentieren, führte Reineking auch fort, als er keinen Doppelnamen mehr hatte. "Ulrich ,Prost-tata' Reineking", stand dann da, oder "Ulrich ,Cuba Si' Reineking" oder "Ulrich ,Lucky Punch' Reineking". Von der Form her zitierte Reineking die Art, wie sich kleinstädtische Rockmusiker im lokalen Veranstaltungsmagazin nennen lassen. Vom Inhalt her ging er auf das Leben los - direkt, ironisch, manchmal zynisch.
Und manchmal sprach aus Reinekings Namen ein Galgenhumor, der sich nur jenen erschloss, die um seinen Gesundheitszustand wussten. "Ulrich ,Herzschlag' Reineking" ist ein Beispiel aus dem März 2009. Am Wochenende ist Ulrich Reineking im Alter von 60 Jahren verstorben.
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