Nachruf auf CUS: „Professioneller Menschenquäler“

Denkaufgaben, Assoziationsknäuel, Kopfspaß für Schlauköpfe, dafür war Curt Schneider aka CUS bekannt. Nun ist der Rätselmacher gestorben.

Schwarzweiß Porträt eines Mannes mit Cappy, Sonnenbrille und einem Bierhumpen vor dem Gesicht

Bekannt gemacht hat CUS sein vertracktes Kreuzworträtsel im „SZ-Magazin“ Foto: Frank Mächler/dpa/picture alliance

Keiner hat Rätsel geschaffen, die dermaßen forderten. Denkaufgaben, Assoziationsknäuel. Grimmiger Kopfspaß für Schlauköpfe, die einen an die Grenzen brachten. Der Schöpfer: CUS. Seit über 30 Jahren gibt es sein vertracktes Kreuzworträtsel („Kreuz mit den Worten“), bis heute wöchentlich im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Und da war ab Ende der Achtzigerjahre „Das große Rätselrennen“ im SZ-Magazin.

Das war damals die Königsdiziplin des Rätselmachers, beim Lösen drei Wochen Spaß, Stress, Irrsinn, Verzweiflung, Glücksmomente. Immer ging es um Denkgeschicklichkeit statt Wissen. Mal musste man Logiken hinter Postleitzahlen oder Kontonummern ertüfteln. Oder es galt etwas Bestimmtes über einen Alltagsgegenstand herauszufinden, den jeder in seiner Wohnung hat. Das Zuhause wurde auf links gedreht: Dieser Hund von CUS, was meint er nur?

„Rainer Frust wurde am 29. Februar 1956 geboren. Wann wurde er volljährig?“ 29. Februar – aha, Schaltjahr. Ob das …? Ist der rechtlich erst 5 oder 6? Falsche Fährte. Alle 1954 bis 1956 Geborenen wurden am 1. Januar 75 volljährig, weil man ab diesem Jahr mit 18 statt 21 volljährig war.

Ende der Neunziger kam CUS an seine Grenzen: „Es wird immer schwerer, Fragenkomplexe internetsicher zu machen“, sagte er. 2004 hatte Google das Sommerrätsel gemeuchelt.

Genialität gemixt mit exaktem Sprachwitz

CUS wusste, wie Menschen denken und wie man sie auf falsche Fährten lockt. Und immer die Chance hinterlegt, die eigenen Denkfehler zu korrigieren. Das war Teil seiner Genialität, verbunden mit teuflischem und exaktem Sprachwitz. Am Wochenende ist er mit 62 Jahren, tatsächlicher Name Curt Schneider, bei einer Bergwanderung in den bayrischen Alpen in den Tod gestürzt.

Mehrfach hatte ich Kontakt mit ihm. Indirekt als jahrelanger Rätselfreund, auch mal im Streit, als mir der gelernte Jurist auf meine, wie ich dachte, streng logische Argumentation eine konstruierte „Beweisquetsche“ vorwarf – ein Wort, das Google bis heute nicht kennt. Er war ein angenehm plaudernder und nachdenklicher Interviewpartner, wo er schalkhaft berichtete, wie er als „professioneller Menschenquäler“ Leute in die „Vorstufe des Wahnsinns“ treibt.

CUS, Rätselmacher

„Rätseln führt Menschen zueinander“

Bei jedem Film, den er sehe, erzählte er da, suche er „Kuriositäten und Doppeldeutigkeiten“. Eine andere Spezialität: „Oft gibt es eine offensichtliche Lösung und eine schwere versteckte. Aber vielleicht ist am Ende doch die einfache die richtige?“ Zweimal um die Ecke gedacht führt am Ende wieder geradeaus. Am besten, das lernten seine Ratefans schnell, geht Lösen in Kleingruppen, deshalb konnte CUS ohne Widerrede sagen: „Rätseln führt Menschen zueinander.“

CUS wurde bald von vielen Firmen und Magazinen gebucht, 1994 auch für eine Schatzsuche mit Langenscheidts Goldwörterbuch. Darin waren Hinweise und Fragen zu einer vielwöchigen Fahndung nach einer vergrabenen Goldkiste (Inhalt im Wert von 50.000 Mark) versteckt. Viele hatten herausbekommen, dass es, tataaa, nach Langenscheid an der Lahn gehen musste. Da trafen wir dann andere Gruppen mit geschulterten Spaten und Spitzhacken. Auf dem Dorffriedhof musste man an einem Grab (aber welches?) eine Richtung ausfindig machen. Was die irritierten älteren Damen beim Wässern der Stiefmütterchen dachten, hat uns im Ratewahn nicht interessiert.

Selbst rätseln? „Nö“.

Mein direktester Kontakt war eine Nebenrolle bei einer Goldgräberrallye im Ruhrgebiet. Die DB Regio hatte 2013 den Preis ausgeschrieben, Hunderte versammelten sich am Bahnhof in Witten. Ich musste in Wuppertal einen Wagen mieten und ihn mitten im Zielgebiet Muttental abstellen. Auf der Rückbank platzierte Curt eine Landkarte mit einer exklusiven Orientierungshilfe. Nur, wer guckt schon in fremde Autos?

Dazu gab es einen Hinweis, im Doppelsinne beiläufig: Als CUS-Deputy trug ich ein Shirt mit der Aufschrift „Immer auf die Autos achten“ und war als Jogger wie zufällig an den Rategruppen vorbeigelaufen. Bei der Siegerehrung am Abend konnten sich viele an diesen komischen Typen mit dem seltsamen Hemd erinnern. Einzelne hatten das auch als Hinweis verstanden.

Den Schatz gehoben hatte übrigens eine Münchner Gruppe, die CUS nachgereist war. Solche Rate-Stalker gab es immer, hat CUS mal erzählt: „Das sind sehr wache, intelligente Leute. Die wissen, wie ich ticke, die ahnen meine Hirnverdrehungen. Und weil sie mich gut kennen, haben sie oft einen Vorteil.“ Selbst als Bayern im Ruhrpott.

Selbst rätseln? „Nö“, sagte CUS mit leichtem bayerischen Klang, „ich bin im Lösen ’ne Niete, Macht mir auch nicht so einen Spaß. In der Zeit könnte ich schon wieder neue Fragen austüfteln.“ Oder irrwitzige Sprachbücher schreiben, in denen er den einzigen Begriff deutscher Sprache entdeckte, den es in gleicher Aussprache mit allen drei Artikeln gibt: Der Coup, die Kuh, das Q.

Seinen echten Namen kannten nur wenige Eingeweihte. Die SZ erklärte jetzt im Nachruf, das Geheimnis sei wegen Susanne Schneider gewesen, lange Jahre Textchefin des Magazins. Sonst hätte es noch geheißen, die habe den kleinen Bruder in einer Art Schwesternwirtschaft ins Blatt geholt. Es gab noch einen anderen familiären Grund. Denk-Sportler können ihn mit kleiner Mühe herauskriegen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.