■ Standbild: Nachkriegsware
„Friede über Massengräbern“, Mittwoch, ARD, 21.45 Uhr
Eine unfreiwillig makabre Szene: Gerade öffnen die beiden Komiteemitglieder ihre Liste mit vermißten Personen, da erklingt von nebenan „Knockin' On Heaven's Door“ – ausgerechnet in der Fassung von Guns 'N Roses. Ein Moment von so schaurigschönem Reiz, daß die FilmemacherInnen ihn als Teaser an den Anfang ihres Berichtes gestellt haben, der den Untertitel trägt: „Reise durch das geschundene Bosnien“. Karola Baier, Thomas Morawski und Martin Weiss zeichnen selbdritt als Autoren des 45minütigen Berichts.
Sie setzen unmittelbar an, ohne Einleitung oder nähere Erklärung. Wer die Berichterstattung zum Bosnienkrieg nicht sehr genau verfolgt hat, wird den häßlichen Bildern ratlos gegenüberstehen, sich wahrscheinlich gar nicht erst darauf einlassen, sondern nach leichterer, eher noch nach leicht verständlicher Kost Ausschau halten. Die Reporter unternehmen eine Reise auf den Spuren des Krieges. Sie selbst nennen die Fahrt eine „makabre Reise“. Der abstrakte Begriff „Topographie des Terrors“ wird durch ihre Bilder sehr konkret. Zerschossene Häuser, Massengräber, Sammellager, nacktes Elend. Und als Kontrast eine funktionierende Waffenfabrik. Dann die Nahaufnahme, Einzelschicksale im Fokus: Flüchtlinge, Heimkehrer, Kriegsveteranen, in jedem Falle „Opfer und keine Täter“. Aber auch Menschen, denen man ansieht, daß sie keine Täter waren, schon weil sie viel zu jung sind. Muß man diesen partout ein Mikrophon ins Gesicht drücken und Fragen stellen wie folgende: „Was hat dir dieser Moment bedeutet, jetzt deine Mutter wiederzusehen?“ Solche Szenen verursachen Unbehagen.
Schließlich meint man sogar Eitelkeit herauszuhören, als der Kommentar mehr als deutlich betont: Wir waren vor Ort und haben hingesehen, wo andere beharrlich weggucken. Die drei Reporter haben Momentaufnahmen mitgebracht – kleine Steinchen eines Mosaiks, das auch beim zweiten Durchlauf noch immer kein erkennbares Bild ergibt. Harald Keller
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