Nachhaltigkeit in den Regionen: "Umweltbewusste reisen mehr"

"Klimawandel fordert Tourismuswandel" – das war das Thema einer Konferenz des Deutschen Tourismusverbandes in Berlin. Der Tourismusprofessor Wolfgang Strasdas über staatliche Auflagen, private Einsicht und die Zukunft der Regionen

Räuber fängt Räuber - Siegerfoto im Wettbewerb "Augenblick Natur!" Bild: Thomas Rasel/VDN

Tourismus trägt nicht nur zum Klimawandel bei, er ist auch in besonderer Weise davon betroffen. Vor allem wird der Wintertourismus in den Mittelgebirgen in Mitleidenschaft gezogen, denn die Schneehöhen werden immer geringer. Dagegen könnte der Sommertourismus, vor allem an den Küsten, von einer Temperaturzunahme profitieren. Allerdings: zwischen 1900 und 1990 gingen 15 bis 20 Prozent der Dünen an der deutschen Nord- und Ostseeküste verloren. Mit einer Tagung in Berlin nahm sich der Deutsche Tourismusverband e. V. (DTV) des Themas "Klimawandel fordert Tourismuswandel" an. "Es gibt keinen wissenschaftlichen Zweifel mehr an der Erderwärmung", sagte Manfred Stock vom Potsdamer Institut für Klimaforschung. "Und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Temperaturzunahme beschleunigen wird."

taz: Herr Strasdas, Sie haben die Konferenz "Klimawandel fordert Tourismuswandel" in Berlin mitorganisiert. Ist das Bewusstsein über negative Auswirkungen des Tourismus in Deutschland gestiegen?

Wolfgang Strasdas: Ja, aber das finde ich auch unvermeidlich. Alles andere wäre nach den ganzen Debatten fahrlässig.

Dennoch waren nur wenige Veranstalter auf der Konferenz.

Es gibt immer zwei Herangehensweisen: Die eine heißt "Tourismus als Opfer", wo man Anpassungsstrategien entwickeln muss. Und die andere "Tourismus als Täter", dann muss man über Klimaschutz bzw. Mitigation (Schadensminderung) nachdenken. Die Konferenz war prioritär angelegt auf Anpassung an den Klimawandel: Was macht die Skiindustrie, wenn der Schnee wegbleibt. Was machen die Touristiker an den Küsten, wenn der Meeresspiegel steigt? Hinzu kommt: Der DTV repräsentiert Deutschland als Zielgebiet.

Und selbst diese Zielgebiete setzten gerne auf Flughäfen, die Touristen mit Billigfliegern herankarren.

Richtig. Das hätte man stärker diskutieren können. Zum Beispiel auch, dass Bayern TourismusMarketing stark auf den chinesischen und indischen Markt setzt, sich aber gegenüber ihren deutschen Gästen als nachhaltige Destination verkauft. Da hat man auch die Flugproblematik. Und natürlich beim Städtetourismus. Berlin profitiert beispielsweise ganz stark vom Billigfliegerboom aus ganz Europa.

Wie sehen Sie die Zukunft der Billigflieger?

Die Billigflieger setzen darauf, dass Energie nicht zu teuer ist, und sie sparen an allen anderen Kosten. Deshalb haben bei den Billigfliegern die Energiekosten einen höheren prozentualen Anteil als bei anderen Airlines. Sie sind sehr anfällig für Ölpreissteigerungen. Als der Ölpreis jetzt hoch war, haben sie bestimmte Strecken eingestellt. Ich glaube, dass die Verknappung von fossilen Brennstoffen eine sehr viel größere Rolle spielen wird als irgendwelche staatlichen Eingriffe, wie beispielsweise die jetzt beschlossenen Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel auf EU-Ebene. Wenn jetzt noch irgendwelche großen Erdölvorkommen gefunden werden, dann fürchte ich, dass Billigflieger fröhlich weiterfliegen. Zurzeit wird es jedoch enger.

Sie haben auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB) mit ihrem Studiengang "Nachhaltiges Tourismusmanagement" das Klimabewusstsein bei Touristikern abgefragt. Wie sieht es damit aus?

Es ist unstrittig für 80 bis 90 Prozent der Touristiker, dass Tourismus vom Klimawandel betroffen ist und dass er auch Mitverursacher ist. Den Touristikern ist klar, dass sie Anteil am Treibhauseffekt haben. Und dass man gegen diesen etwas machen muss. Woran es hakt, ist die Umsetzung.

Naturpark Südschwarzwald Bild: dpa

Welche Strategie sehen Sie beispielsweise für einen Wintersportort im deutschen Mittelgebirge wie Oberhof?

Dass man weggeht vom Skitourismus. Man kann Wintertourismus haben, aber weniger Ski. Diese Regionen können zudem stärker auf Sommertourismus setzen. Alle Mittelgebirgsdestinationen haben dieses Problem.

Und sie werden alle versuchen, diese Schiene zu fahren – und die Konkurrenz wächst.

Ja, das sind schlechte Nachrichten für den Tourismus in den Mittelgebirgen und den tieferen Lagen der Alpen.

Ist der Klimawandel auch bei den Konsumenten angekommen?

Nach der Reiseanalyse wissen die meisten, dass es ein Problem ist. Und ich würde sagen, der nachhaltige Tourismus hat in vielen Bereichen auch Fortschritte gemacht. Zum Beispiel was die Nutzung lokaler Produkte anbetrifft. Was auch funktioniert: dass man nachhaltig wirtschaftende Hotels in Anspruch nimmt. Das steht für Qualität. Aber der Knackpunkt ist auch nach der Untersuchung des Bundesumweltministeriums zum Umweltbewusstsein: Die Umweltbewussten machen alles richtig bis auf den Bereich Mobilität. Da sind sie nicht besser als alle anderen. Wir haben eine Studie gemacht zusammen mit der Verbraucherinitiative. Dabei kam heraus, dass die Umweltbewussten sogar eine höhere Reiseintensität haben als der Durchschnitt. Das ist das Problem.

Verzicht und Einschränkung liegen also nicht im Trend?

Man ist umweltbewusst, wo es dem eigenen Erleben, der eigenen Erfahrung dient. Da ist Nachhaltigkeit ein Zusatznutzen. Aber wo es darum geht, auf Dinge zu verzichten, kommt man ganz schnell an Grenzen. Ich glaube deshalb, dass freiwillige Nachhaltigkeit eine ergänzende Strategie ist, aber wir kommen nicht darum herum, Energie teurer zu machen.

WOLFGANG STRASDAS ist Tourismusberater und Professor für Tourismus und Umwelt an der FH Eberswalde. Er leitet dort seit 2002 den Master-Studiengang Nachhaltiges Tourismusmanagement

Besteuerung des Flugbenzins?

Ja. Auch der Emissionshandel ist gut. Aber da wird an vielen Schrauben gedreht. Die Reduktionen sind viel zu niedrig. Zweitens ist es bedauerlich, dass die Emissionsrechte verschenkt statt versteigert werden. Und drittens ist die Möglichkeit, sich durch Emissonsausgleich aus der Affäre zu ziehen, sehr viel höher, als sie sein sollte. So ist es, wenn Lobbys am Werk sind. Die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel ist ein Fortschritt, aber er ist zu klein.

Der Tourismusbeauftragte im Deutschen Bundestag, Erwin Hinsken, würde einwenden, dass Besteuerung sinnlos ist, weil auch die Chinesen und Inder immer mehr fliegen.

Es ist immer das gleiche Argument. Aber die Inder haben pro Kopf einen sehr viel geringeren Verbrauch als wir. Wenn man etwas bewegen will, dann müssen die den ersten Schritt tun, dieam meisten zu dem Problem beigetragen haben.

Ist das Thema Nachhaltigkeit in den Regionen angekommen?

Immer mehr. Wir waren früher die Ökofuzzis mit unserem Studiengang für Nachhaltigen Tourismus. Das ändert sich. Wir bekommen immer mehr Anfragen aus den Regionen. Denn das ist eine Chance für den Deutschlandtourismus: Klimaschutz liefert ein zusätzliches Marketingargument. Das ist zunächst opportunistisch, aber wenn wir das vermarkten wollen, dann müssen wir glaubhaft sein. Ich würde den deutschen Regionen empfehlen, auf dieses Pferd aufzuspringen, aber gleichzeitig zum Klimaschutz konkret beizutragen. Das ist nicht teuer, manchmal spart man dadurch sogar, und es schafft Bewusstsein.

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