Nachgelegt: KV-Vizechef „naiv“
■ Dr. Rüggeberg versucht, alle Schuld dem Geschäftsführer zuzuschieben
„Aus Stilgründen“ habe er sich bisher in der Öffentlichkeit nicht gewehrt gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, meinte gestern der amtierende stellvertretende Vorsitzende der Bremer Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Chirurg Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg. Auf einer jetzt einberufenen Pressekonferenz legte Rüggeberg eine von ihm bestellte Expertise der Anwälte Broglie, Schade und Partner vor, die feststellen, er habe allenfalls „naiv“, aber keineswegs „rechtswidrig“ gehandelt.
So sei der Beschluss des Zulassungsausschusses vom Jahre 2000, der Rüggeberg eine Millionen Abrechnungspunkte mehr für seine Praxis zuerkannte, durchaus „rechtswidrig“, schreiben die Anwälte. Trotzdem könne man dem „Begünstigten dieser Entscheidung keinen Vorwurf machen“. Die Verantwortung trüge vielmehr der KV-Geschäftsführer Klaus Stratmann und der Zulassungsausschuss.
Geschäftsführer Stratmann wehrte sich gestern auf Nachfrage der taz gegen diese Darstellung. Danach „einigten“ sich der KV-Geschäftsführer Stratmann und der Begünstigte Dr. Rüggeberg, der damals Vorsitzender des Zulassungsausschuss war, in einem gemeinsamen „Gespräch, über das es keine Aufzeichnungen gibt“, auf die rechtswidrige Punktzahlobergrenze. Diesen Vorgang wertet das Gutachten, das der ehemalige Verwaltungsgerichtspräsident Dr. Alfred Kuhlmann für die KV angefertigt hat, als Mitwirkung des Vorsitzenden des Zulassungsausschusses an einem rechtswidrigen Beschluss, der ihn selbst begünstigte.
Auch mit dem „so genannten Mobbing“ gegen die Justitiarin, die auf die rechtswidrigen Vorgänge sehr früh hingewiesen hatte und dann eine fristlose Kündigung bekam, will Rüggeberg nichts zu tun haben. Von dem Beschluss der fristlosen Entlassung und der Suspendierung sei er, damals Vize-Vorsitzender der KV, nur nachträglich „in Kenntnis gesetzt worden“, schreibt Rüggeberg in seinem Pressetext. Auch da erinnert sich der Geschäftsführer ganz anders: Die Suspendierung der Justitiarin sei in Anwesenheit der Vorsitzenden, also auch von Dr. Rüggeberg, ausgesprochen worden, bekräftigt Stratmann gegenüber der taz.
Rüggeberg widersprach auch dem Bericht dieser Zeitung (20.3.), er habe dem Untersuchungsausschuss gegenüber wahrheitswidrig erklärt, dass er keine Aufwandsentschädigungen für seine Tätigkeit als Präsident der „Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände“ (GfB) erhalte. Dies habe er auf die Zeit bis 1999 bezogen wissen wollen, erklärte Rüggeberg gestern. Als er auf Nachfrage den Brief verlas, in dem er dem Untersuchungsausschuss der KV sein berufspolitisches Engagement und seine Aufwandsentschädigungen schildert, musste er allerdings einräumen, dass da von einem Zeitraum „bis 1999“ nichts steht.
Auf der Sitzung der Vertreterversammlung der KV am kommenden Dienstag (23.4.) geht es um Rüggebergs Rücktritt beziehungsweiwse seine Abwahl oder Neuwahl – allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. K.W.
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