Nachgefragt: Viel sinnlose Arbeit
■ Verfassungschutz späht Kritiker aus
Seit Ende September ist es amtlich: der Bremer Publizist und Rechtsanwalt Rolf Gössner wird seit 26 Jahren vom Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht. Als Sachbuchautor kritisierte er Polizei und Geheimdienste scharf. Gössner beriet als rechtspolitischer Sprecher beriet die Landtagsfraktion der Grünen bei der Reform des Niedersächsischen Polizeigesetzes. Weil die Zeitung „Geheim“, bei der Gössner mitarbeitet, im Verfassungschutzbericht 1995 als „linksextremistisch“ eingestuft wurde, hatte er eine Dringliche Anfrage zu seiner Person an das Bundesamt für Verfassungsschutz gerichtet. Die Kölner räumten seine Überwachung ein. Dennoch debattiert Gössner heute auf Einladung des Hessischen Verfassungsschutzes in Wiesbaden über „Verfassungsschutz im Wandel“.
taz: Hat Sie die Überwachung überrascht?
Ich kann noch gut schlafen. Wenn man seit 20 Jahren zu den Organen der Inneren Sicherheit arbeitet, kann man sich das ausrechnen. Da gab es mal den ein oder anderen Anhaltspunkt.
Wieso werden Sie überwacht?
Offiziell interessiert meine publizistische Tätigkeit, aber auch meine angeblichen Kontakte zu „linksextremistischen Personengruppen.“ Der Verfassungsschutz leistet viel unsinnige Arbeit und läßt sich dabei nicht kontrollieren. Aber es ist fast verständlich, daß sich diese Behörde für einen Menschen interessiert, der ihr ans Leder will. Die Reform des niedersächsischen Polizeigesetzes hatte schließlich eine personelle und finanzielle Reduzierung des dortigen Verfassungsschutzes zur Folge.
Die Niedersächsischen Grünen haben scharf gegen ihre geheimdienstliche Erfassung protestiert. Was antworten Ihre Überwacher?
Es gibt keine offiziellen Reaktionen oder Stellungsnahmen. Ich muß die Leserbriefe zu den Veröffentlichungen abwarten. So versucht man oft, Sachen geradezurücken, wo es für eine Gegendarstellung nicht reicht.
Stört Sie die Überwachung bei Ihrer Arbeit?
Journalistisch weiß ich nicht, inwieweit meine Recherchen beobachtet werden. Was ist mit dem Informantenschutz? Bei meiner Anwaltstätigkeit könnte die Vertraulichkeit im Mandantenverhältnis gefährdet sein und auch bei meiner Beratertätigkeit verletzt die Überwachung den Abgeordnetenstatus der Grünen Fraktion.
Zwar agieren die Landesämter unabhängig vom Bundesamt. Trotzdem: Wieso diskutieren sie mit „denen“ in Hessen?
Weil ich offensiv mit der Überwachung umgehe. Ich habe die IG Medien eingeschaltet und verlange natürlich das Ende der Überwachung und die Löschung der Daten, notfalls per Gericht. Dazu ist es eine nette Premiere, daß man in Hessen den von der Bundesbehörde überwachten einlädt.
Fragen: Lars Reppesgaard
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