Nachgefragt: SenatorInnenbonbons
■ Dürfen Senatoren nebenbei arbeiten? Fragen an Verwaltungsrechtler Schefold
Sind die Ehefrauen der Senatoren Ralf Borttscheller und Ulrich Nölle (beide CDU) nur „Strohfrauen“bei der Immobilienfirma Nordgrund? Oder gehen die Ehemänner unerlaubten Nebentätigkeiten nach? Über das alles und noch viel mehr sprach die taz mit Professor Dian Schefold, Spezialist für öffentliches Recht an der Bremer Universität.
taz: Herr Schefold, Sie stellen die These auf, daß SenatorInnen kein Gehalt für ihr Regierungsamt beziehen dürfen.
Professor Dian Schefold: Das geht zurück auf die klassische bremische Verfassungstradition, wonach die Senatoren eben die „Res publica“im Nebenamt verwalten. Und dazu gehörte früher eigentlich nicht, daß ein Senator Geld bekommt.
Und heute?
Natürlich ist die gerade geschilderte klassische Rechtslage heute nicht mehr durchzusetzen. Zumal sie schon damals stets Anlaß zu Mißbräuchen gegeben hat, denn man kann das öffentliche Amt auch als Mittel zur persönlichen Bereicherung nutzen. 1918 ist der Grundsatz zur Besoldung der Senatsmitglieder eingeführt worden, der heute in Artikel 113, Absatz 1 der Landesverfassung verankert ist. Allerdings heißt es dort auch heute noch im Absatz 1, Satz 2: Der Senat kann seinen Mitgliedern die Beibehaltung ihrer Berufstätigkeit gestatten. Im Senatsgesetz wird daraus die Konsequenz gezogen, daß ein Senator dann nur 40 Prozent Gehalt erhält.
Angenommen Senator Ralf Borttscheller arbeitet nebenher tatsächlich in einer Art Geschäftsführerrolle bei Nordgrund. Muß er dann jetzt auf 60 Prozent seines Senatorengehalts verzichten?
Nur wenn er es hauptberuflich macht. Aber das wird nicht mehr gemacht, weil ein Senatorenamt zu stressig ist. Sonst wäre Senator Nölle der klassiche Fall für Artikel 113 Absatz 1, Satz 2. Der hat früher bei der Sparkasse mehr verdient als im Senat.
Was fällt exakt unter den Begriff Nebentätigkeiten?
Artikel 113 läßt bestimmte Nebentätigkeiten im Vorstand, Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat von Unternehmen mit Genehmigung des Senats zu. Darin heißt es, Interessenskonflikte mit der öffentlichen Hand sind zu vermeiden. Im Zweifel werden die Nebentätigkeiten dann eben nicht erlaubt.
Sehen Sie einen Interessenskonflikt für Senator Nölle, wenn er einen gutbezahlten Aufsichtsratsposten in der Nordfinanzbank, von der ihm Anteile gehören, bekleidet?
Natürlich kann es zwischen Bankeninteressen und der öffentlichen Hand Konflikte geben. Es kann aber auch wirtschaftliche Vorteile für das Land haben, wenn Senatoren gute Bankkontakte haben.
Die SPD hat gerade gefordert, den Artikel 113 neu zu fassen, um Nebentätigkeiten von SenatorInnen zu unterbinden. Macht das Sinn?
Vorab, ich glaube das fordert die SPD bereits seit 1918. Aber das Resultat wäre, daß nur die Ausnahmeregelungen wegfielen. Das betrifft dann also die zusätzliche volle Berufstätigkeit. Bezahlte Nebentätigkeiten wie Aufsichtsratsposten wären immer noch zulässig. Die Forderung ist also nicht sehr griffig.
Eher populistisch?
Das möchte ich nicht ausschließen.
Wie ist die Rechtslage in anderen Bundesländern?
Mit Ausnahme der vollen Berufstätigkeit von Senatoren neben ihrem Regierungsamt, genauso. Allerdings wird die Genehmigung zur Mitarbeit in Unternehmen im Bund und vielen Bundesländern von der Zustimmung des Parlaments abhängig gemacht.
Wie würden Sie den Zwist um die Senatoren Borttscheller und Nölle beenden?
Das Problem sind die Aufsichtsratsposten. Nachdem es in Bremen strittig ist, wäre es zweckmäßig, die Bürgerschaft entscheiden zu lassen und vor allem für Publizität der Genehmigungen zu sorgen.
Interview: Jens Tittmann
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