Nachgefragt: Weniger Drogentote
■ Repression contra Hilfsangebote / Interview mit Drogenbeauftragtem
In Bremen ist die Anzahl der Drogentoten um ein Drittel auf 46 Menschen zurückgegangen, freute sich dieser Tage Innensenator Ralf Borttscheller (CDU). Alarmierend seien allerdings die 17 Toten im Methadonprogramm.
Der Verein für akzeptierende Drogenarbeit bezweifelt, daß der Rückgang der Drogentoten ein Erfolg von Borttschellers „repressiven Methoden“ist. Über diese unterschiedlichen Positionen in der Drogenpolitik sprach die taz mit dem Bremer Drogenbeauftragten Ingo Michels.
taz: Worauf ist 1997 der Rückgang der Drogentoten zurückzuführen?
Ingo Michels, Landesdrogen-Beauftragter: Vorab, wir hatten 1996 einen Anstieg der Drogentoten, da ein nicht unerheblicher Anteil an Aids oder Folgekrankheiten gestorben ist. Die sind trotzdem als Drogentote gezählt worden. Der Rückgang ist meiner Ansicht nach eher auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen, zu denen unter anderem auch eine bessere medizinische Versorgung und Präventivmaßnahmen gehören.
Dann sind Borttschellers Erfolge Augenwischerei?
Nein, der Rückgang der Drogentoten ist schon ein Erfolg. Das liegt aber daran, daß wir ein gut ausgebautes Hilfesystem haben – angefangen bei den Kontaktläden über Spritzenvergabe, Wohnprojekte und die Methadon-Substitution. Durch diese Umstände wird das Risiko für Drogenkranke wesentlich minimiert, was zu sinkenden Todeszahlen beiträgt.
Welchen Einfluß hat dabei die restriktive Drogenpolitik der Innenbehörde?
Die hat dazu geführt, daß eine offene Drogenszene nicht mehr in dem Umfang vorhanden ist, wie noch in Hamburg oder Hannover. Das ist positiv vor allem für die Anwohner. Das ist aber auch ein Erfolg von dem Ausbau des Hilfesystems im gleichen Zeitraum. Nachteil der repressiven Politik ist aber auch, daß der Zugang zu einem Teil der Szene erschwert wird.
Behindern sich damit Innen- und Gesundheitsbehörde?
Nein, das möchte ich so nicht sagen. Die Gesundheitsbehörde teilt das Ziel, die Probleme einer offenen Drogenszene zu reduzieren. Es darf nur nicht dazu kommen, daß die Hilfsmaßnahmen behindert werden. Und man darf Erfolge nicht nur auf den Ausbau der repressiven Maßnahmen reduzieren.
Die Innenbehörde erhebt den Vorwurf, 17 der 46 Drogentoten stammen aus dem Methadon-Programm, weshalb dieses verbessert werden müßte.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Toten in regulärer Behandlung waren. Das sind in der Regel Aussteiger. Mir ist kein Zusammenhang zwischen Drogentoten und der regulären Methadonabgabe für derzeit 1.200 Personen bekannt. Im Gegenteil: Die Sterberate unter den Teilnehmern am Methadonprogramm ist wesentlich geringer als unter Drogenabhängigen, die nicht substituiert werden. Die meisten sterben an einer unbeabsichtigten Überdosis. Das passiert zudem meistens in Wohnungen, wo keine Betreuung vorhanden ist oder andere Abhängige sich nicht trauen, Hilfe zu holen, weil sie sonst verhaftet werden könnten. Da muß ein Umdenken stattfinden, weil ein Drogentod wegen einer Überdosis medizinisch einfach zu vermeiden ist. Da sind Repressionen eher hinderlich.
Fragen: Jens Tittmann
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