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Nachgefragt„Ein Flugverbot kann ich nicht aussprechen“

■ Fluglärmbeauftragter Daglef Schriever über Dezibel, Messungen und die Beschwerden der Bürgerinitiative

Die „Interessengemeinschaft Flughafengeschädigter Links der Weser“glaubt nichts mehr: Daten würden falsch ermittelt, die Auswertung verschleppt, in Untätigkeit verharrt. Daglef Schriever ist 56 Jahre alt und seit 23 Jahren Fluglärmschutzbeauftragter für den Flughafen Bremen. Er ist beim Senat für Umweltschutz angestellt und nimmt Beschwerden entgegen. Er selbst wohnt 350 Meter neben der Landebahn.

taz: Ist es zu laut am Bremer Flughafen?

Daglef Schriever, Lärmschutzbeauftragter: Ja – wenn es nach der Meinung der Bevölkerung geht, ist es zu laut. Die Lärmmeßwerte zeigen zwar etwas anderes – seit zehn Jahren ist es immer leiser geworden, weil leisere Flugzeuge eingesetzt werden oder auf viele Übungsflüge verzichtet wird. Leisere Flugzeuge werden mit einer billigeren Landegebühr belohnt. Morgens zwischen sechs und sieben Uhr und abends zwischen 22 und 22.30 Uhr dürfen nur noch lärmarme Flugzeuge verkehren.

Wie sieht denn die durchschnittliche Lärmbelastung der Anwohner aus, die in der Einflugschneise wohnen?

Ja, die Postmaschiene zum Beispiel – das ist das leiseste Flugzeug, der Airbus 321 – da liegt an den Meßstellen unmittelbar am Abflugsektor der Lärmpegel bei 82 bis 84 Dezibel. Bei einer Bushaltestelle liegen sie schon zwischen 85 bis 90 Dezibel. Eine Chartermaschine aber, ein Airbus 310 zum Beispiel, der hat an den gleichen Meßstellen Lärmwerte zwischen 85 und 92 Dezibel.

Was können Sie als Lärmschutzbeauftragter tun, damit die Lärmbelästigung sinkt?

Solange luftverkehrsrechtliche Bestimmungen von den Fluglinien eingehalten werden, kann ich gar nichts tun. Ein Verbot kann ich nicht aussprechen. Ich habe nur meine Erfahrungswerte von den einzelnen Flugzeugtypen, und wenn dann ein Flugzeug wesentlich lauter ist, dann spreche ich mit den Fluggesellschaften, manchmal sogar mit einzelnen Flugkapitänen.

Wofür sind Sie denn dann nötig?

Um die Beschwerden der Bevölkerung anzunehmen und um sie an die Flugsicherung und die zuständige Genehmigungsbehörde weiterzuleiten. Mit diesen Institutionen wird dann versucht, das abzuändern.

Können Sie die Einwände der Interessengemeinschaft nachvollziehen, die sagt, Ihre Messungen sind nicht valide?

Die Meßanlage wird derzeit erneuert. Vorgestern war eine Meßstelle ausgefallen, das passiert bei technischen Anlagen. Aber sowie ich soetwas merke – dann leuchten Lämpchen auf meinem Bildschirm auf – klemmt sich der Flughafen sofort dahinter, weil das ja auch ein sensibles Thema ist. Zur Zeit arbeitet die Anlage einwandfrei. Ab Windstärke 5 bis 6 wird die Anlage ausgeschaltet, dagegen kann ich nichts tun, das ist nach der DIN-Norm festgelegt. Die Interessengemeinschaft sieht das ja nicht so und ist der Meinung, wir sollten vorpreschen, damit das geändert wird.

Die Interessengemeinschaft sagt auch, daß höchstens 25 Prozent aller Flugbewegungen gemessen werden. Stimmt das?

Nein, das stimmt ganz und gar nicht. Ich leide auch darunter, daß teilweise Falschmeldungen weitergegeben werden. Da ruft dann eine Bürgerin an und sagt: „Der darf doch nicht fliegen, zwischen sechs und sieben.“Da muß ich wieder Aufklärungsarbeit leisten und sagen:„Nach der Genehmigungsurkunde des Verkehrsflughafens Bremen, die die Hafenbehörde ausstellt, darf die Maschine fliegen.“Genauso mit der Messung, die Sie gerade erwähnten: Zu 87 Prozent mißt die Anlage, nur während 13 Prozent der Zeit wurde sie letztes Jahr abgeschaltet.

Fragen: Christoph Dowe

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