Nachgefragt: Pisse statt Wein
■ Olaf Dinné über die Bremer SPD
Den Tag seines Austritts weiß Olaf Dinné noch aus dem Kopf: 18. Dezember 1978. Damals gab Dinné mit 18 weiteren SPDlern aus Protest sein Parteibuch zurück, um die Grünen zu gründen. Die taz sprach mit ihm über die neuen Erfolge der SPD.
Herr Dinné, die Bremer SPD ist berauscht vom Wahlergebnis in Niedersachsen. Auf ihrem Parteitag am Wochenende hat sie außerdem ihre Erfolge gefeiert, darunter den Gewoba-Verkauf oder die Gründung der Auffanggesellschaft „Mypegasus“. Haben Sie nicht Lust, wieder in die SPD einzutreten?
Auf keinen Fall. Die Sozialdemokraten haben es schon immer verstanden, die Etiketten auf den Flaschen zu vertauschen und Pisse als Wein zu verkaufen.
Wie darf ich das verstehen?
Die SPD verkauft ihre Niederlagen als Erfolge. Die Gewoba ist ursprünglich eine Genossenschaft, die der alten Arbeiterschaft entspringt. Durch das Funktionärsunwesen ist die Gewoba zwar zersetzt worden, trotzdem steckt hinter solchen Gesellschaften der Gedanke, die Leute zu sozialisieren. Stichwort: Billiger Wohnraum für jedermann. Insofern ist der Gewoba-Verkauf Verrat uralter sozialdemokratischer Auffassungen. Andererseits muß man sehen, daß die Politiker wegen der Finanzlage alles verkaufen, was niet- und nagelfest ist. Alte sozialdemokratische Politik ist das aber nicht.
Und was ist Ihrer Meinung von der alten sozialdemokratischen Politik übriggeblieben?
Nichts als Heuchelei. Sie SPD tut immer noch so, als stünde sie an der Seite der armen Unterdrückten und Entrechteten, aber da hat sie gestanden.
Warum nicht?
Die SPD hat zum Beispiel immer schon das Konzept verfolgt, mit staatlichen Mitteln Wirtschaftspolitik zu betreiben. Das hat die Betriebe immer in die Pleite getrieben. Die Zeche dafür haben die kleinen Leute, die Arbeiter gezahlt und nie die Manager.
Landeschef Detlev Albers wertet die Abwicklung des Vulkan-Konkurses durch Mypegasus aber als Erfolg.
Der Vulkan ist ein wunderbares Beispiel für eine mißglückte sozialdemokratische Industriepolitik. Man hat versucht, mit staatlichen Subventionen Arbeitsplätze zu erhalten. Der Vulkan ist ein Opfer dieser Politik geworden. Typisch SPD, sowas dann auch noch als Erfolg zu verkaufen.
Fragen: Kerstin Schneider
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