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Nachgefragt„Wenn die Deutschen die Sache dominieren“

■ MigrantInnen-Zeitung kritisiert Karawane für Rechte von Flüchtlingen

Folter im Iran, Krieg in Kurdistan, Arbeitslosigkeit – es gibt viele Gründe aus der Heimat nach Deutschland zu fliehen und viele Gründe, diesen Menschen hier beizustehen. Deswegen macht sich jetzt die „Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen“ von Bremen aus auf ihren Weg durch Deutschland. 350 Organisationen haben sich für die gute Sache in einem lockeren Verbund zusammengeschlossen – aber es gibt auch Skeptiker.

Nicht nur bei den Hardlinern in den Innenministerien der Länder. „Eine solidarische Selbstbeschäfti-gungstherapie“ der deutschen „Rest-Linken“ sei die ganze Angelegenheit, schreiben „Imre und Kaveh“ im Editorial der jüngsten Ausgabe von Köxüz, einer bundesweit verbreiteten MigrantInnen-Zeitschrift mit Sitz in Oldenburg. Wir befragten dazu den Mitunterzeichner, den Oldenburger Redakteur der Zeitschrift, Kaveh Niknam:

taz: Sie sind gegen die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen. Warum?

Köxüz-Mitarbeiter Kaveh Niknam: Weil die Aktion sich ausschließlich gegen staatlichen Rassismus richtet. Die Konfrontation mit der rassistischen Bevölkerung aber bleibt aus, weil das eine Auseinandersetzung mit den Freunden, Nachbarn und Eltern bedeuten würde. Die deutsche Linke bezieht sich mit einem sozialrevolutionären Impetus fast ausschließlich auf den Staat. Das ist einfacher.

Müssen diese zwei Ebenen der Auseinandersetzung nicht parallel geführt werden?

Die rassistische Bedrohung von Seiten des Staates ist einfach das kleinere Übel. Und berechenbarer. Seit 1990 sind über hundert Migranten durch Deutsche getötet worden. Das ist das Thema.

Mit Demos vor Abschiebeknästen, wie es die Karawane unter anderem plant, ist nichts zu erreichen?

Nein. So lassen sich Abschiebungen nicht verhindern. Ich halte nichts von Aktionen, die von den Deutschen dominiert werden.

Im Falle der Karawane rufen aber vor allem MigrantInnengruppen auf.

Das Problem ist die Dominanz. Wenn die Deutschen die Sache dominieren, dann funktioniert das nur nach dem Lustprinzip. Nach zwei, drei Monaten ist alles wieder vorbei. Das ist fast bei allen Aktionen der Fall, an denen sich die deutsche Linke beteiligt hat. In Frankreich ist das übrigens nicht anders.

Sind Sie also der gleichen Meinung wie Bremens Innensenator Borttscheller, wenn dieser behauptet, die Karawane sei sowieso nur eine Angelegenheit von deutschen „Krawallmachern“?

Ach, Borttscheller interessiert mich überhaupt nicht. Der Mensch macht eine rassistische Politik, zu dem äußere ich mich nicht.

Und welche Ziele haben Sie mit Ihrer Zeitschrift?

Die MigrantInnen und Flüchtlinge müssen sich selbst organisieren. Das ist unser Ziel. Und da gibt es auch Fortschritte. Köxüz (kösüz = (türk.) wurzellos) gibt es auch in Berlin, Hamburg, München. Ein anderes Beispiel ist das Café Morgenland in Frankfurt. Das sind Gruppen, die selbstorganisiert arbeiten. Massenauftritte interessieren uns nicht.

Fragen: Fritz v. Klinggräff

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