Nachgefragt: Gefolterten Bosniern droht Abschiebung
■ Schulte über „traumatisierten Fälle“
Am Donnerstag Abend hat buten&binnen mit einem eindrucksvollen Film von Jochen Grabler auf die Situation der gefolterten bosnischen Flüchtlinge, über deren Abschiebung gerade verhandelt wird, hingewiesen. (vgl. taz 13.10.) Es wurde dargestellt, dass die Einrichtung Refugio den Gefolterten hilft, auch therapeutisch. Im Anschluss an den Bericht versuchte Innensenator Bernt Schulte auf die Fragen von Andreas Hoetzel zu antworten. Wir dokumentieren:
Mit welcher Haltung fahren Sie zur Innenministerkonferenz?
Bernt Schulte: Ich möchte vielleicht erst einmal vorweg sagen, dass diese Bilder schon sehr eindrucksvoll und erschreckend sind und dass das ja auch der Grund dafür ist, dass die deutschen Innenminister im letzten Jahr beim Beschluss der Rückführung der Flüchtlinge aus Bosnien entschieden haben, dass die traumatisierten Fälle nicht abgeschoben werden – zuerst – sondern dass wir gesagt haben: Das ist das letzte Kontingent. Wir werden jetzt in der Innenministerkonferenz entscheiden, wie wir mit diesen Kontingent umzugehen haben.
Daher meine Frage: Mit welcher Haltung fahren Sie hin?
Die jetzige Haltung des Bremer Innenressorts und meine Position ist die: Die schwerst-traumatisierten Fälle, die im eigenen Land nicht therapiert werden können, weil dort keine Hilfe zu erwarten ist, denen wollen wir solage es möglich ist hier in Deutschland, in Bremen eine Duldung aussprechen.
Was heißt das: „Solange wie es möglich ist“?
Solange es eine Chance gibt, sie so zu therapieren, dass sie in ihr Herkunftsland zurückgehen können. Wenn es sich herausstellt, dass dies nicht möglich ist, wird man andere Lösungen suchen müssen.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen geht davon aus, dass in Bosnien eine solche Hilfe nicht existiert.
Das war noch im letzten Jahr der Fall. Wir haben in der Innenministerkonferenz auch in gemeinsamer Bewertung mit dem Bundesinnenminister festgestellt, dass es jetzt durchaus Hilfen im eigenen Land gibt. Die muss man sich sehr genau anschauen. Und darum sage ich nochmal: Es geht jetzt um die schwerst-traumatisierten Fälle, können die therapiert werden oder nicht. Und wenn es nicht der Fall ist, dann werden wir eine Entscheidung treffen, die hoffentlich auch eine sachgerechte Entscheidung ist.
Den Grundsatz: ,Folteropfer darf man nicht zwangsweise gegen ihren Willen dorthin schicken, wo sie gefoltert worden sind', den könnten Sie so nicht unterschreiben?
Wir haben eine Reihe von Fällen, in denen das Traumatisierungsargument als Abschiebehindernis nachgereicht wird. Das heißt, ich muss leider unterstellen, dass nicht jeder, der angibt, traumatisiert zu sein, auch nach ärztlicher Bewertung als Traumatisierter gilt. Wenn ich da sagen würde: Jeder Traumatisierte würde das Recht behalten, hier zu bleiben, dann würden wir eine falsche Entscheidung treffen.
Der Innensenator wird heute vormittag auf dem Podium sitzen bei einer Diskussion in der Stephani-Gemeinde (Stephani-Kirchhof 9)
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