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Nach zwei Jahren wieder Nahost-GesprächeSchüsse zum Beginn

Erstmals seit zwei Jahren reden Israelis und Palästinenser wieder miteinander. Einer Lösung stehen auch interne Konflikte im Wege – und zwar auf beiden Seiten.

Reden wieder über Frieden: Nethanjahu und Abbas – hier mit Obama auf dem Weg zur Auftaktpressekonferenz. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Rechtzeitig zum Auftakt der palästinensisch-israelischen Gespräche bringt sich die Hamas in Erinnerung: Zwei Männer und zwei Frauen starben, als Hamas-Kämpfer in der Nacht zum Mittwoch in Hebron im Westjordanland das Feuer auf sie eröffneten. Die Siedler wurden von den Kugelsalven durchsiebt. Die Hamas sprach von einem "geglückten Anschlag gegen die Besatzung".

Damit wenden sich die Extremisten ebenso an Israel wie an die palästinensische Führung. "Ohne uns wird es nicht gehen", lautet ihre Botschaft, um keine Illusionen aufkommen zu lassen, die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland könne allein mit Israel Frieden schließen. In den Stunden nach dem Anschlag verhafteten die palästinensischen Sicherheitskräfte 250 mutmaßliche Mitglieder der Hamas – offensichtlich eine Demonstration der Entschlossenheit.

Doch die Hamas hat bislang stets alle Kompromisse mit der "verräterischen Führung" im Westjordanland abgelehnt. Knackpunkte für ihre Verweigerung sind Machtstreitigkeiten und die grundsätzlich Feindschaft gegen Israel. Die palästinensische Zweiteilung festigt sich, anstatt aufgelöst zu werden. Damit wird auch das Referendum zur Illusion, das Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für den Fall einer Einigung mit Israel in Aussicht stellte. Ohne eine Kooperation der Hamas aber ist ein Volksentscheid nicht möglich.

Direkte Gespräche

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas stehen erstmals seit September 2008 wieder in direkten Verhandlungen – heute beginnen ihre Gespräche. Am Mittwoch hatte US-Präsident Barack Obama mit beiden getrennt gesprochen. Im Anschluss gab es ein Abendessen im Weißen Haus, an dem auch Jordaniens König Abdallah und Ägyptens Präsident Hosni Mubarak teilnahmen. Die USA und das Nahost-Quartett (USA, EU, UNO und Russland) hatten Israel und die Palästinenser im August zu direkten Verhandlungen nach Washington eingeladen.

Die islamistischen Milizen im Westjordanland sind zwar infolge der engen Sicherheitskooperation zwischen Israel und der Autonomiebehörde deutlich geschwächt, doch auch wenn ihre Kraft derzeit nicht für Bombenanschläge in Jerusalem und Tel Aviv ausreicht, so sind bewaffnete Übergriffe wie der in der Nacht zum Mittwoch auch künftig kaum auszuschließen. Die Hamas kann zudem den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen wieder aufnehmen, um militärische Gegenmaßnahmen zu provozieren und damit eine eventuelle palästinensisch-israelische Annäherung zu unterlaufen.

Gegenwind bekommt Abbas auch aus dem linken Lager und zum Teil sogar aus den Reihen seiner eigenen Fatah. In Ramallah gibt es Demonstrationen gegen die Friedensverhandlungen. Die Demonstranten lehnen die Verhandlungen ab, solange diese unter dem Druck der USA und Israels geführt werden, kein Baustopp in den Siedlungen erlassen wurde und keine Versöhnung mit der Hamas stattgefunden hat.

Mahmud Abbas kann indes gelassen nach Washington fahren. Er hegt keinerlei politische Ambitionen mehr. Wenn die nächste Verhandlungsrunde schiefgeht, wird er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Zurück bliebe dann Salam Fajad, der Premierminister, der unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen die Gründung des Staates Palästina für Mitte kommenden Jahres vorbereitet.

Und Saeb Erikat. Der palästinensische Chefunterhändler und unermüdliche Friedenskämpfer gibt nicht auf. Wie stets zu Beginn einer neuen Verhandlungsrunde warnt er wieder, die "letzte Gelegenheit für den Frieden" nicht zu verpassen. Allerdings schloss er aus, die Verhandlungen fortzusetzen, sollte Israel das bis Ende September geltende Moratorium über den Baustopp für jüdische Siedlungen im Westjordanland beenden. Und genau das könnte tatsächlich passieren.

So schmerzlich das jüngste Attentat Israel trifft, politisch spielt es Premierminister Benjamin Netanjahu in die Hände. Wer glaubte, dass der Terror im Westjordanland der Vergangenheit angehört, musste sich eines Besseren belehren lassen. Wenn es den Sicherheitskräften der Autonomiebehörde und der israelischen Armee gemeinsam nicht gelingt, für Ruhe zu sorgen, werden es die Palästinenser allein noch weniger schaffen. Netanjahu ist ein strikter Gegner territorialer Kompromisse und eines Abzugs der Truppen.

"Überall dort, wo Israel abgezogen ist, im Südlibanon und im Gazastreifen, zieht der Iran ein", sagte Netanjahu noch im Wahlkampf. Er habe nicht vor, "ein zweites Hamastan im Westjordanland" zuzulassen. Im Gegensatz zu den Vorgängerregierungen, die den Palästinensern konkrete Angebote gemacht haben, 92 bis sogar 97 Prozent des Landes plus Gebietsaustausch, scherzt Netanjahu zynisch, dass man vielleicht "über 50 Prozent" reden könne.

Stattdessen bietet er einen "Wirtschaftsfrieden" an, den Abbau von Straßensperren und mehr Kooperation und Handel. Seit Monaten drängt er auf direkte Verhandlungen und setzt zugleich den Siedlungsbau in Jerusalem fort. Jedes Signal zur Kompromissbereitschaft wird begleitet von riesigen Hindernissen. Einen Staat Palästina schließt er nicht aus, aber nur, wenn er entmilitarisiert ist und wenn die Palästinenser zuvor Israel als jüdischen Staat akzeptieren.

"Netanjahu demonstriert Bereitschaft und schiebt der anderen Seite die Verantwortung zu", beschreibt Jossi Beilin, ehemals Justizminister und Chef der linken Meretz, die Taktik des Premierministers. Zwar sage dieser, dass er über Sicherheit verhandeln wolle, aber, so fragt Beilin, "wie kann man über Sicherheit reden, solange noch keine Grenzen festgelegt sind?"

Dass ausgerechnet Netanjahus engster Verbündeter in der Koalition, Verteidigungsminister Ehud Barak von der Arbeitspartei, am Vorabend der Friedensgespräche öffentlich eine Teilung der "ewig jüdischen Hauptstadt" Jerusalem in Aussicht stellt, dürfte auch Netanjahu überraschen. Für die restlichen Koalitionspartner und vor allem für die eigene Partei, den Likud, aber kommt eine Teilung nicht infrage - was noch am Mittwochabend bekräftigt wurde. Die Position des Regierungschefs sei, dass Jerusalem die "unteilbare Hauptstadt Israels" bleibe, sagte ein Mitglied von Netanjahus Delegation am Mittwoch in Washington.

Kurz darauf verbreitete sich aus Netanjahus Umfeld die Nachricht, dass dieser eine Verlängerung des Baustopps ablehne - ein Nachgeben gegenüber den Siedlern, die wenige Stunden nach dem Anschlag angekündigt hatten, ihre Bautätigkeit wieder aufzunehmen.

Damit könnte der Dialog beendet sein, bevor er überhaupt angefangen hat. Es sei denn, es gelingt Barack Obama doch noch, seine kritische Haltung gegenüber den Siedlungen überzeugender klarzustellen, als er es bislang vermocht hat.

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9 Kommentare

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  • S
    spem4me

    Ich weiß, es geht Euch ja um was anderes, aber nur nochmal kurz:

     

    Zur Verteidigung des Humanismus, Menschenrechten und dem Respekt vor dem Leben in der taz:

     

    - da gibt es "Schüsse zum Beginn" - anstelle von toten Israelis

     

    - da stehen "auch interne Konflikte im Wege" - natürlich: "und zwar auf beiden Seiten" - anstelle von der Nachricht, dass sich die Hamas gedacht hat: killen wir mal wieder ein paar Juden - und das leider nicht nur gedacht hat...

     

    - diese "bringt sich [...] in Erinnerung" - wo kämen wir denn da hin, wenn jetzt so langsam mal gesagt werden würde, dass mal wieder Zivilisten Opfer eines feigen Mordanschlags geworden sind

     

    - dementsprechend dürfen auch nur "[z]wei Männer und zwei Frauen" sterben, anstelle davon ermordet zu werden

     

    - und die Frau muss wohl nach taz-Informationen noch vor dem Anschlag schnell einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen lassen haben - oder das Ungeborene ist mal wieder keinen Satz wert

     

    - die Hamas hat natürlich nur "das Feuer eröffnet" - dass dabei jemand gestorben ist, muss Zufall gewesen sein: was halten sich die "Siedler" denn auch da auf, wo die Hamas unschuldige Schussübungen vornimmt

     

    - Bilder, die die Phantasie wecken, dürfen dann natürlich auch erst benutzt werden, wenn es jenen fiesen Siedlern an den Kragen geht: was für ein Nervenkitzel, dass sie "durchsiebt" werden. Da kann einem ja schon einer abgehen

     

    - und damit das Ganze, falls es jemand immer noch nicht begriffen hat, auch nochmal ins rechte oder linke Licht gerückt wird, darf die Hamas natürlich auch nochmal klarstellen, was genau passiert ist...

     

    Das alles in einer Überschrift, und zwei Absätzen!!!

     

    Dass sich dann von den anschließenden mehr als 800 Wörtern kein einziges mehr auf die Opfer bezieht, ist dann nur noch folgerichtig. Und wenn irgendwas doch dazu treibt, sich mit dem Anschlag nochmals zu beschäftigen, dann ist es Israel, was "schmerzlich" getroffen wird (also werden keine Menschen, gar Zivilisten mehr getötet oder ermordet, sondern jener Staat, der als "zionistisches Gebilde" (M.A.) sowieso verdächtig ist, kriegt halt mal wieder ein paar Schmerzen ab). Natürlich spielt der Anschlag dann auch noch den fiesen Israelis in die Hände - Haben sie ihn vielleicht sogar gewollt oder selbst durchgeführt?

  • DP
    Daniel Preissler

    Ja, richtig, dass die Frau schwanger war, hätte man erwähnen können. Aber wie selbst bei euren Zeilen, liebe Vorposter, schon durchscheint, macht es tatsächlich einen nicht unerheblichen Unterschied, ob jemand in einem Bus in Tel Aviv eine Bombe zündet, oder ob Siedler (also Eindringlinge) erschossen werden. Das moralische Problem jeder Tötung eines Menschen verschwindet dadurch natürlich nicht und das Problem der Tötung eines Säuglings erst recht nicht.

    Im Nordirlandkonflikt gab es auch dutzende solcher Beispiele, um dem Nahostkonflikt mal die Einzigartigkeit zu nehmen.

     

    Dass es sich um Siedler handelt, hätte Frau Knaul also verschweigen sollen, dass die Frau schwanger war, aber bitte erwähnen???

    Willkommen zurück in der Propagandaschlacht!

  • GL
    Gerhard Lange

    Erst einmal muß auf die Tatsache hingewiesen werden,

    dass sich die jüdischen Siedler illegal in den

    besetzten Gebieten aufhalten. Die Palästinenser sind

    täglichen Schikanen der Siedler und der Besatzer

    ausgeliefert, wie der vorangegangene Anschlag

    jüdischer Siedler aus der illegal in der Westbank

    gelegenen Siedlung Amanouel zeigt. Sie eröffneten

    das Feuer auf palästinensische Bauern , während diese

    ihre Felder bestellten .

     

    Wie der Fall von Anat Kam belegt, verübt das

    israelische Militär systematische Verbrechen

    in den okkupierten palästinensischen Territorien.

    Hierzu gehören auch vom Oberkommando genehmigte

    Mordaktionen.

     

    Weiter geht aus dem Bericht hervor, dass die große

    Mehrheit der Siedlungen in der West Bank sogar

    nach israelischem Recht illegal sind. Nach

    internationalem Recht sind alle Siedlungen illegal.

     

     

    Die dunkle Seite des Hochsicherheitsstaats Israel

    http://principiis-obsta.blogspot.com/2010/04/die-dunkle-seite-des.html

     

    Auch vor Folterungen an minderjährigen

    Palästinensern schreckt Israel nicht zurück.

     

    Strafanzeige wegen Folterung eines Vierzehnjährigen

    http://www.steinbergrecherche.com/folter.htm#Israel

     

    Ist es da verwunderlich, wenn Palästinenser dann zurückschlagen?

  • T
    tarkhan9

    Man kann nicht sich alles rausnehmen wie es einem passt, wie z.B. als sog. Demokratischer Staat das Land der Palästinenser mit Siedlungen zubauen und dann sich über solche Angriffe wundern.

     

    Wo lebt Ihr denn Alle?

     

    Nur weil die ganze westliche Welt mit Ihrer Kommerzmedia es ok findet muß es DER Palästinenser dem das Land genommen wird nicht tolerieren.

     

    Dieses Zweierlei Maß ist im Falle des Staates Israel so grotesk.

     

    Solange es Israel tut wird es gut sein!

     

    Traurig traurig...

  • S
    Stefan

    Warum kein Klartext???

    Überschrift: "Hamas-Terror gegen den Frieden".

    Warum kann nicht einfach beschrieben werden, dass Hamas-TERRORISTEN vier ISRAELIS ermordet haben? Warum musste betont werden, dass es sich um "Siedler" handelt? Es verleiht den Terroristen eine gewisse Legitimität, oder?

    Wenn es nichts direkt gegen Israel zu berichten gibt, dann sollten wenigstens die Untertöne stimmen... TAZ-Berichterstattung, wie gewohnt.

    Haben die Ermordeten keine Kinder hinterlassen?

    Wäre es nicht erwähnenswert, dass unsere Bundesaußenpfeife Westerwelle die Anschläge zwar scharf verurteilt, aber noch nicht einmal die Floskel "unser Mitgefühl ist bei den Hinterbliebendenen" über die Lippen bekommt. Ach ne, waren ja nur Siedler - selber schuld. Wichtiger war ihm die Mahnung an ALLE Seiten, jetzt besonnen zu bleiben. Nett aber feige formuliert.

  • M
    Mari

    Das sieht man es doch wieder. Diese Leute haben anscheinend keine Ahnung vom Geschäft. "Da würde das passieren und wenn das dann würde das passieren, im Endeffekt bringt es so eine Steuer gar nicht die armen Rentner werden dann zu sehr belastet." Und weil es auch die finanzschwachen treffen würde, weil auch arme Rentner Anlagen haben ... ? Man lese mal Grundgesetz Artikel 20 besonders Absatz 4: (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

     

    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

     

    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

     

    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

  • S
    Schulz

    Was die Politiker machen,

    ist doch so uninteressant,

    weil staendig

    die Voelker darunter leiden.

     

    Wer wann wie womit warum oder nicht bauen darf,

    entscheidet meisstens das Geld,

    nicht der Kredit,

    denn mit den Krediten erhalten die Banken kostenlos

    zurueck, was die Leute bauen.

    Natuerlich entscheiden politische Entscheidungstraeger und Behoerden fuer ihre eigenen Anhaenger...

    egal ob mit oder ohne Genehmigung.

    Allen anderen wird fast alles verboten,

    bis diese aufhoeren zu atmen.

    Wenn Verbote nicht reichen,

    wird mit Waffengewalt...

    eingegriffen, ermordet, getoetet, gefangengesetzt...

  • S
    Spem4me

    Noch eine zweite Frage: warum ist die Frau in der taz im Gegensatz zur Darstellung der Medien des Rests der Welt nicht mehr schwanger?

    Weil das den Kitzel Knauls dann doch gestört hätte, den sie empfunden hat als sie darüber schrieb, dass die "Siedler" - um gleich klar zu machen, dass es ja irgendwie eine Berechtigung hat - "durchsiebt" wurden?

  • S
    Spem4me

    Eine einzige Frage: warum heißt es nicht: "Tote zum Beginn"? Warum sind vier tote Israelis (mit dem ungeborenen Kind sogar fünf) nur "Schüsse"? Ich verstehe das einfach nicht. Kann mich jemand aufklären?