: Nach jedem Foul gab es viele Entschuldigungen
■ Der Fußball ist nicht nur rund, sondern auch interkulturell: Deutsche Polizisten spielten Völkerverständigung auf dem Rasen und verloren haushoch gegen Türkiyemspor
Türkische Männer mit ernsten Gesichtern und bodenlangen Umhängen laufen die Aschenbahn entlang. Gefährlich rasseln sie mit ihren Säbeln. Gäbe es das Osmanische Reich noch, würde die Kapelle die Armee anführen. Doch von der war am Dienstag abend im Stadion in der Katzbachstraße weit und breit nichts zu sehen. Dafür jede Menge Polizisten, die mit hehren Absichten gekommen waren. Die Beamten der Direktion 5 hatten Türkiyemspor zu einem Freundschaftsspiel eingeladen.
Die Hobbyspieler, in deren Bereich Kreuzberg und Neukölln vierzig Prozent der in Berlin lebenden Türken wohnen (56.000), haben sich mit Türkiyemspor einen schweren Gegner ausgesucht. Doch ihnen ging es nicht darum, den etwa dreihundert Zuschauern zu zeigen, wie man neunzig Minuten lang keinen Ball ins Tor bugsiert. Auch Türkiyemspor war nicht angetreten, um den besseren Fußball zu spielen. Es ging darum, „das positive Verhältnis der türkischen Bevölkerung und der Berliner Polizei zu dokumentieren“, so der Polizeitext.
Zweifel an dieser optimistischen Sicht äußerte kaum jemand aus dem Publikum, das ebenso gemischt war wie die Mannschaften: jede Menge Beamte, Polizistinnen in ziviler Sommerkleidung, türkische Frauen und Männer, Mitglieder des Vorstandes der türkischen Gemeinde, Kampftrinker aus umliegenden Kneipen. Für alle stand fest: Das Ereignis ist wichtiger als das Ergebnis. „Das Verhältnis zwischen Polizisten und Türken muß aber noch besser werden“, befand der türkische Mann am Grill. Doch beim Wie war er ratlos. Ein Mann, dessen Sohn Tolga als Rechtsaußen bei Türkiyemspor spielt, fühlte sich geehrt, daß dieser ausgerechnet gegen eine Polizeimannschaft spielt. „Als Türke bin ich sehr glücklich darüber“, sagte er. Doch leider hätten viele Deutsche immer noch Vorurteile gegenüber Türken. „Ich hoffe von ganzem Herzen, daß das Spiel hilft“, sagte er. Der 19jährige Zafer hingegen hält von der „Pseudoveranstaltung“ gar nichts. Solange ihm als in Berlin geborenen Türken nur „Dreckjobs“ angeboten würden, sei man von einer Annäherung weit entfernt. „Heute spielen sie Fußball, morgen sind sie wieder hinter den Leuten her“, ist er überzeugt.
In der ersten Reihe saß Hagen Saberschinsky (CDU), der Polizeipräsident. Rechts außen von ihm Staatssekretär Kuno Böse (FDP), links außen der türkische Generalkonsul. Ziemlich wortkarg – der Generalkonsul spricht kein Deutsch – verfolgten sie das Spiel. Saberschinsky nutzte das Zusammentreffen mit Vertretern der türkischen Gemeinde immerhin, um die Machtverhältnisse klarzustellen.
Voller Stolz zeigte er den Bizeps seines rechten Arms. Nach dem Anliegen des Spiels befragt, sagte er, daß es „natürlich auch Fehlverhalten von Polizisten gegen Ausländer“ gebe. Deshalb sei das Spiel ein „integrativer Bestandteil“, eine „Manifestierung des Menschenbildes“ gar: „Wenn Sie so wollen, eine Manifestierung der Humanität.“
Nach neunzig Minuten hatte Türkiyemspor acht Tore geschossen, die Polizisten keines. „Unsere Spieler sind mindestens so gute Polizisten wie die anderen Fußballer“, tröstete ein Beamter über die Schlappe hinweg.
Für den Rechtsaußen Tolga war das Spiel „ein Schritt mehr für den Frieden“. Anders als bei einem Punktspiel habe man sich bei Fouls sogar entschuldigt. Barbara Bollwahn
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