Nach der Wahl in Schleswig-Holstein: Journalist: ein Job für Jost de Jager?
Mit dem Ministerpräsidenten-Posten klappt es offenbar nicht und im Parlament ist kein Platz frei. Aber Jost de Jager ist gelernter Journalist. Was für Chancen hätte er?
KIEL taz | Er hat bereits einen Top-Job ausgefüllt, ein Karrieresprung nach oben war geplant – leider wechselte die Firmenleitung und will eigene Leute auf die guten Posten setzen. Trotz Qualifikation und persönlicher Eignung heißt das für den Kandidaten: Danke, das war’s. So muss Jost de Jager (CDU) das großzügige Chef-Büro im Wirtschaftsministerium an der Kieler Förde räumen.
Die gute Nachricht lautet: Der Mann hat vor der politischen Karriere einen Beruf gelernt. Der gebürtige Rendsburger ist Journalist. Er begann seine Ausbildung 1994 bei der evangelischen Nachrichtenagentur EPD in Kiel. Und wenn der heute 47-Jährige bei Zeitungen, Agentur oder Rundfunk eine zweite Karriere startete, entspräche das genau seinem Ziel, „Verantwortung ohne Mandat“ – also Sitz im Landtag – zu übernehmen. Denn die Medien, die vierte Macht im Staat, kontrollieren schließlich die Politik.
Den Arbeitsplatz kennt de Jager auch schon: Im Raum der Landespressekonferenz hat er oft genug Interviews gegeben. Er bliebe Teil des politischen Betriebes und hätte weiter mit denselben Personen zu tun. Auch vom Image änderte sich wenig: Politiker wie Journalisten pflegen die Bedeutung ihres Berufs zu überschätzen, die öffentliche Meinung siedelt beide am unteren Ende der Ansehensskala an.
Die letzte Chance für einen Job in der Landesregierung für Jost de Jager (CDU) wäre eine große Koalition aus CDU und SPD - oder eine ebenfalls mögliche Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Beides ist äußerst unwahrscheinlich.
Einladungen zu einem Gespräch hat die CDU trotzdem schon Anfang vergangenen Woche an SPD, Grüne und FDP gesendet. Die SPD hat sie angenommen.
CDU und SPD trafen sich am Montagnachmittag im Hotel "Kieler Kaufmann". Das Gespräch dauerte bei Redaktionsschluss an. Doch schon vorher war klar, dass es für die SPD reine Formsache ist. "Bei dem Treffen handelt es sich nicht um eine Sondierung", sagte ein SPD-Sprecher. Die SPD wolle aber die Gelegenheit nutzen, um Fragen der allgemeinen parlamentarischen Arbeit zu erörtern.
Die am Montag abgeschlossenen Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen und dem SSW sind das größte Problem für de Jager. Die Teilnehmer empfehlen, daraus richtige Koalitionsverhandlungen zu machen. Am Montagabend entschieden darüber die Gremien von SPD und SSW, am Dienstag folgen die Grünen.
Auch finanziell käme der Familienvater halbwegs über die Runden: Zwar würde er als Berufsanfänger eingestuft – er ging seinerzeit direkt aus der Ausbildung in den Landtag. Das Startgehalt bei einer Zeitung beträgt nach dem Tarif des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger 3.052 Euro, plus Weihnachts- und Urlaubsgeld. Das ist zwar empfindlich weniger als das Gehalt eines Ministerpräsidenten (11.300 Euro) oder die Abgeordneten-Diät (8.200 Euro), aber mit zunehmenden Berufsjahren steigt die Summe schließlich.
Beim NDR gibt es mehrere Gehaltsgruppen mit einzelnen Stufen, schon im Mittelfeld sind knapp 5.000 Euro im Monat drin. Tatsächlich zahlen viele Medien im Land nach Tarif. Aufpassen müsste de Jager allerdings bei der größten Zeitung des Landes, dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag mit seinen Regionalausgaben wie Flensburger Tageblatt oder Rendsburger Landeszeitung. Der Verlag hat im vergangenen Jahr die Tarifbindung aufgekündigt. Außerdem bietet das Haus oft untertarifliche Anstellungsverhältnisse bei Tochterfirmen an, etwa der Online Media Nord.
Private Radio- und Fernsehsender zahlen schlechter als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Hier kommt es auf geschickte Verhandlungen an, die Noch-Minister de Jager zweifellos beherrscht. Das Hauptproblem ist aber ein anderes, sagt Bettina Neitzel, Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) in Kiel: „Es gibt zurzeit in Schleswig-Holstein keine Festanstellungen.“
Also müsste sich de Jager, wie fast alle Journalisten, die heute arbeitslos werden, selbstständig machen. Kein Problem: Außer einem Laptop und einem Telefon braucht man kaum Ausrüstung, und der Staat hilft mit Zugeständnissen wie reduzierter Mehrwertsteuer. Auch die soziale Absicherung ist besser als beim selbstständigen Klempner oder Bäcker: Journalisten sind wie Zirkusartisten und Schauspieler in der Künstlersozialkasse versichert, in die Unternehmen eine Abgabe zahlen. Dagegen protestieren die Firmen alle Jahre wieder – de Jager sollte also schon im eigenen Interesse seine Kontakte in die hohe Politik spielen lassen, um die gegenwärtige Regelung zu bewahren.
Der Verdienst klingt erstmal gar nicht so schlecht: 40 bis 50 Euro die Stunde, rund 400 Euro am Tag sollte es geben, sagen die „Mittelstandsempfehlungen“ für Journalisten – der Wirtschaftsminister weiß natürlich, dass dies ein Umsatz ist, von dem Betriebskosten, Steuern und Sozialabgaben abgezogen werden. Und dass man erfahrungsgemäß beileibe nicht an jedem Arbeitstag auch einen Auftrag hat. Trotzdem bleibt am Ende ein Netto-Gehalt übrig, das mit dem eines Festangestellten gleichzieht – theoretisch.
„Es gibt einige Kollegen, die gut verdienen“, sagt Karla Frieben-Wischer, Vorsitzende des DJV im Land. „Aber leider auch immer mehr, die sagen, dass sie von ihrer Arbeit nicht leben können.“ Denn die Mittelstandsempfehlungen sind nur eine Richtschnur. Freie Journalisten bieten ihre Beiträge an und verhandeln die Honorare – wenn die Medienhäuser nicht einfach einen Betrag festlegen. Da „irgendwas mit Medien“ immer noch als ziemlich cooler Beruf gilt, konnte die Branche bisher auf ein Überangebot von Lieferanten zurückgreifen und drückte die Preise – manchmal in unanständige Tiefen. So zahlt der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag vielen seiner Freien pro veröffentlichte Zeile 13 Cent. Für diesen Text wären das 27,43 Euro Umsatz, netto blieben knapp neun Euro.
Zwar haben Verleger und Berufsverbände sich auf Mindest-Honorare geeinigt. An diese Vergütungsregeln, die je nach Textsorte und Auflage von 47 Cent bis 1,50 Euro pro Zeile reichen, halten sich in Schleswig-Holstein aber nur die Kieler Nachrichten und die Lübecker Nachrichten. Falls Jost de Jager auf die taz hofft: Auch hier liegen die Honorare meist unterhalb der Mindestgrenze.
Viele Freie fühlen sich schon recht gut bezahlt, wenn sie Tagespauschalen von etwa 100 Euro erhalten. Allerdings bleibt von einem Monatsumsatz von 2.000 Euro kaum mehr als der Hartz-IV-Satz übrig. Beim NDR wird teils nach Stunden, teils nach Sendeminuten bezahlt. Freie Normalverdiener dürften auf Tagessätze von etwa 200 Euro kommen.
Und im Internet? Da ist alles noch viel schlimmer. Fazit: Jost de Jager sollte sich eine Rückkehr in den Journalismus gut überlegen. DJV-Geschäftsführerin Neitzel macht aber Mut: „Dank seines bekannten Namens und mit einer guten Geschäftsidee könnte er durchaus eine Nische besetzen – allerdings nicht rein im journalistischen Bereich, sondern als Berater oder in PR und Öffentlichkeitsarbeit.“
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