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Nach der Wahl in ItalienWege aus dem politischen Patt

Bersani will nicht mit Berlusconi, Grillo lehnt beide ab. Ob eine Regierungsbildung in Rom möglich ist, steht völlig in den Sternen.

Wahlsieger ohne Bündnispartner: Pierluigi Bersani. Bild: reuters

ROM taz | Silvio Berlusconi strebt eine große Koalition mit Pierluigi Bersani an, Bersani dagegen will die Zusammenarbeit mit Beppe Grillo: Dies ist die vorläufige Schlachtordnung, nachdem die Italiener bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag und Montag ein Patt herbeigewählt haben.

„Das Land muss regiert werden“, ließ Berlusconi verlauten, deshalb führe an einer Zusammenarbeit zwischen seiner Rechten und der Bersani-Linken kein Weg vorbei. Bersani jedoch lehnte dieses Ansinnen umgehend ab. Stattdessen lancierte er auf seiner ersten Pressekonferenz nach dem Wahldebakel den Vorschlag an Grillo, auf der Basis weniger programmatischer Punkte zusammenzuarbeiten: Reformen der staatlichen Institutionen, vorneweg eine Halbierung der Zahl der Parlamentarier, ein einschneidendes Antikorruptionsgesetz, Maßnahmen zum Schutz der am stärksten von der Krise betroffenen Schichten sowie ein Gesetz zum Interessenkonflikt.

Grillo schließt weiter eine Koalition zwischen seinem Lager und Bersani aus. „Punkt für Punkt“ könne er sich allerdings eine Zusammenarbeit vorstellen, sagte er am Dienstag und zitierte das „Modell Sizilien“. Dort regiert die Linke dank der Tolerierung durch die Protestpartei „Fünf Sterne“.

Auch diverse Abgeordnete aus seinen Reihen äußerten schon die Bereitschaft zu punktueller Kooperation. Ebenso stellten sie in Aussicht, auf dieser Basis könne das Movimento5Stelle (M5S) einer Minderheitsregierung unter Bersani das Vertrauen aussprechen.

Das große Hindernis für eine solche Lösung ist die Eurokrise. Bereits in den letzten zwei Tagen musste Italien deutliche Zinsaufschläge auf seine Staatsanleihen hinnehmen, eine wacklige Minderheitsregierung würde diesen Trend verstärken. Die Rating-Agentur Moody’s kündigte an, eine schnelle Abstufung Italiens stehe angesichts der politischen Instabilität im Raum.

Klar gegen „dieses“ Europa

Eine Lösung wird auch noch dadurch erschwert, dass M5S sich eindeutig gegen „dieses“ Europa positioniert hat. Ein Referendum über die weitere Mitgliedschaft im Euro, obendrauf womöglich gar die einseitige Aussetzung der Zahlungen der Staatsschulden: All dieses waren die Ansagen im Wahlkampf. Ein Kompromiss zwischen Bersani und Grillo wäre nur dann denkbar, wenn M5S auf diesem Feld radikal umsteuert.

Um sein Angebot an die Grillo-Bewegung zu untermauern, schlug Bersani am Dienstag vor, einen Vertreter von M5S zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses zu wählen. Die Parteien haben jetzt etwa zwei Wochen Zeit, um mögliche Wege einer Lösung der Krise auszuloten. Voraussichtlich am 15. März treten die beiden Kammern des Parlaments zusammen. Die Wahl der Präsidenten wird dann zeigen, ob das politische Patt überwunden werden kann.

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3 Kommentare

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  • W
    Wolf

    Draghi:

    Die EZB und somit ihr Präsident Mario Draghi bekommen die Aufsicht über alle systemrelevanten Banken Europas. Draghi war von 2006 bis 2011 Präsident der Italienischen Nationalbank und ist ehemaliger Vizepräsident von Goldman Sachs International.

    In der Zeit bei Goldman Sachs entwickelte seine Abteilung den Handel mit SWAP Papieren, die es Griechenland ermöglichten ihren defizitären Staatshaushalt zu verschleiern und sich den Zutritt zur Eurozone widerrechtlich zu erschleichen.

    Momentan sorgt eben dieser Draghi mit Erfolg dafür, dass Griechenland mit hauptsächlich deutschen Steuergeldern ihre Staatsanleihen im Wert von 31 Milliarden Euro zurückkaufen konnten um ihre Schuldenlast zu drücken und weitere Milliarden vom Rettungsschirm zu bekommen.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang wohin das ganze Geld fließt. Die sogenannten Gläubiger und Investoren sind zum großem Teil Klienten von Goldman Sachs, oder mit Goldman Sachs identisch.

     

    Quelle: Kommentar v. Open Mind v. 13.12.2012 zum Thema Bankenaufsicht

  • M
    Max

    Die bislang veröffentlichen Artikel der TAZ zeigen über jeden vernünftigen Zweifel, dass deren Journalisten von der aktuellen italienischen Lage gar nichts verstanden haben. Aufhören die Grillos Bewegung (eine der meist konkreten und konstruktiven politischen Kräfte Italiens) Protestpartei (sie ist keine Partei und hat gar nichts mit Protesten zu tun) zu heißen, könnte die LeserInnen helfen, etwas davon zu verstehen.

  • W
    Wolf

    Habe folgenden interessanten Artikel gefunden, die EU-Diktatur geht jetzt erst richtig los !

     

    "In seinem neuen Positionspapier will Herman Van Rompuy nun den nationalen Parlamenten auf den Leib rücken: Sie handeln nicht im Interesse der EU, und sollten daher in ihrer Bedeutung deutlich zurückgedrängt werden.

    Ihren XING-Kontakten zeigen

    Themen: Demokratie, EU, Europa, Parlamentarismus, Reformen, Schuldenkrise, Van Rompuy

     

    Aktuell:

    Italien-Wahl: Das war der Anfang vom Ende der EUDie EU will die aktuelle Krise nützen, um den europäischen Parlamentarismus zu reformieren. Die nationalen Parlamente mögen den Staaten nutzen, für die EU sind sie eher lästig. Daher will die EU-Kommission, dass künftig alle wichtigen Budgetentscheidungen nicht mehr in den Staaten getroffen werden, sondern vom EU-Parlament. Herman Van Rompuy hat dazu ein Papier geschrieben.

     

    Das Ansinnen ist wenig verwunderlich: Gerade der jüngste Streit um das Budget der EU-Kommission hat gezeigt, dass das EU-Parlament ein zahnloser Tiger ist und von der EU nach Belieben gegängelt werden kann (hier).

     

    Die Grundlage sieht Ratspräsident Herman Van Rompuy in den faktischen Machtverhältnissen: Im Kapitel über demokratische Legitimation schreibt Van Rompuy, dass Entscheidungen dort auch demokratisch legitimiert werden sollen, wo sie tatsächlich getroffen werden. Für Rompuy ist diese Ebene die EU, und schon längst nicht mehr die Nationalstaaten.

     

    Die EU möchte künftig ein entscheidendes Wort mitreden, wenn es um die nationalen Haushalte geht. Insbesondere möchte Van Rompuy bestimmen, welche Staaten Reformen vorzunehmen haben.

     

    Daher plant die EU-Kommission, dass jeder Staat einen verbindlichen Vertrag mit der EU unterschreiben muss, in dem er sich auf bestimmte Vorgaben verpflichtet.

     

    Ganz abschaffen möchte Van Rompuy die nationalen Parlamente jedoch nicht im Alleingang: Sie sollen ihrer Abschaffung zustimmen, indem sie den Vertrag zur Selbstaufgabe formal unterzeichnen.

     

    In diesem Sinne können die Abnick-Verantstaltungen zum ESM als ein erster, erfolgreicher Probegalopp gesehen werden. Der Deutsche Bundestag hat sich hier schon für die neue demokratiepolitische Euro-Liga qualifiziert.

     

    Mehr zum Thema:

    Henryk Broder: “Wir erleben die letzten Tage von Europa”

    Van Rompuy: Wie man am raffiniertesten eine Diktatur einführt"

     

    Quelle: Deutsche Wirtschaftsnachrichten 26.02.2013