Nach der Wahl in Bayern: Halber Wechsel bei der CSU
Nach dem Wahldebakel startet die CSU die Personaldebatte: Seehofer löst Huber im Parteivorsitz ab. Haderthauer tritt zurück. Ob Beckstein Ministerpräsident bleiben darf, ist offen.
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Die Krönungsmesse fand am Dienstag in Berlin statt, und sie dauerte rund eindreiviertel Stunden. So lange tagten im Reichstag die 46 Bundestagsabgeordneten der CSU, bis der Berliner Verbraucherschutzminister Horst Seehofer als designierter Parteivorsitzender vor die Presse trat. "Wir werden mit Horst Seehofer als Spitzenkandidaten in die Bundestagswahl hineingehen, auf Platz 1 der Landesliste", sagte Landesgruppenchef Peter Ramsauer - und fügte zur Erläuterung hinzu: "Derjenige, der die Landesliste anführt, ist in der Regel der Parteivorsitzende."
Es war punkt zwölf Uhr mittags, und es waren gerade zwei Stunden vergangen, seit der bisherige Amtsinhaber Erwin Huber in der schmucklosen Münchener CSU-Zentrale seinen Rücktritt offiziell verkündet hatte. Der 62-jährige sagte, er wolle seiner Partei die Chance zu einem personellen Neubeginn geben. Er bleibe aber in der politischen Verantwortung und werde weiter für die CSU und Bayern arbeiten. Die Partei habe ein schwieriges Wahlergebnis zu bewältigen, ihm sei wichtig, dass dies in einem geordneten Verfahren erfolge. Die Entscheidung war am späten Montagabend bei einem erneuten Krisentreffen zwischen Huber, Beckstein und Seehofer gefallen.
Huber will seine Aufgaben bis zum Sonderparteitag am 25. Oktober wahrnehmen. In den 13 Monaten als CSU-Vorsitzender sei es sein Ziel gewesen, die CSU stabil und zukunftsfähig zu halten. Die Partei sei dabei jünger und weiblicher geworden. Mit seinem Steuerkonzept "Mehr Netto vom Brutto" habe er "Impulse gesetzt, die weit über meine Amtszeit wirken werden".
Wenig später tauchte völlig unerwartet die CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer in der Staatskanzlei auf. Im Gegensatz zur Wahlnacht sah sie gefasst aus. Sie trug einen schwarzen Anzug, darunter einen dunkelbraunen Rollkragenpullover. "Der neue Parteivorsitzende wird auch einen neuen Generalsekretär ernennen", sagte sie. Sie sei auf eigenen Wunsch zurückgetreten.
Spekulationen gab es gestern um die Frage, ob Seehofer zugleich Günther Beckstein im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten beerben soll. In der Sitzung der Berliner Landesgruppe plädierte nach Teilnehmerangaben von rund einem Dutzend Redner jeder zweite für eine solche Lösung. Niemand habe das Fortbestehen einer Doppelspitze explizit verteidigt.
Der Landesvorsitzende der Jungen Union, Stefan Müller, erklärte im Anschluss, die Nominierung des Regierungschefs dürfe man nicht allein der Landtagsfraktion überlassen: "Über die Frage des Ministerpräsidenten muss die Gesamtpartei entscheiden." Der Außenpolitiker und oberfränkische CSU-Bezirksvorsitzende Karl Theodor zu Guttenberg sagte dagegen, die Frage sei "federführend von der Landtagsfraktion zu entscheiden". Mit Blick auf die SPD, die ihren Führungswechsel jüngst auf dem Parkplatz einer Ausflugsgaststätte beschlossen hatte, fügte Guttenberg hinzu: "Wir sollten nicht den Stil anderer Parteien kopieren." Bei den Landtagsabgeordneten ist Seehofer weit weniger populär als an der Parteibasis oder in Berlin. Die neue Fraktion tritt an diesem Mittwoch erstmals zusammen.
Beckstein selbst sah am Nachmittag in München entspannt aus. Kein Wort zu den Spekulationen, er werde auch hinschmeißen - die Münchener Abendzeitung hatte bereits gemeldet, Innenminister Joachim Herrmann solle sein Nachfolger werden. "Ich respektiere die Entscheidung Erwin Hubers", sagte Beckstein. "Wir hatten Höhen und Tiefen, aber insgesamt war es eine tiefe freundschaftliche Zusammenarbeit." Dann wechselte der Ministerpräsident, der sein politisches Schicksal bis zu diesem Tag eng an Huber geknüpft hatte, rasch das Thema. Jetzt müsse man schnell Sondierungsgespräche mit der FDP und den Freien Wählern führen.
In seiner ersten Stellungnahme zeigte Seehofer Demut vor den Wählern, ließ aber eine harte Gangart gegenüber der Schwesterpartei CDU und in der Großen Koalition erkennen. "Wir werden die klassischen Wurzeln der CSU, die Wirtschaftskompetenz, die soziale Verantwortung und auch das Potenzial der Nationalkonservativen pflegen" - ein klarer Seitenhieb gegen die Christdemokraten, die sich am Montag erst zu einer Fortführung ihres Modernisierungskurses bekannt hatten. Immerhin fügte Seehofer hinzu, "dass zu einer modernen und frischen Volkspartei der Zukunft auch alle Fragen der Ökologie und des Verbraucherschutzes zählen".
Einen Vorgeschmack auf bevorstehende Kämpfe gab der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach. "Wir müssen uns gegen die Sozialdemokratisierung der Union zur Wehr setzen", sagte er vor der Sitzung der Landesgruppe in Berlin. "Es ist wichtig, dass wir uns gegen die große Schwester und die Bundeskanzlerin durchsetzen." Das gelte vor allem bei der zunehmenden Bürokratisierung oder der Hochsteuerpolitik - und vor allem bei der Erbschaftsteuer, deren Reform die große Koalition bereits am kommenden Montag beschließen will.
Der parlamentarische Staatssekretär in Seehofers Verbraucherministerium, Gerd Müller, deutete dagegen mögliche Kompromisslinien bei der Erbschaftssteuer an. Schließlich sei sich die Koalition einig in dem Ziel, das Aufkommen aus der Steuer unverändert bei vier Milliarden Euro zu belassen. Während er das sagte, strömten die Abgeordneten ringsherum schon in die Fraktionssitzungen zur Finanzkrise. Diesmal ging es um 26,6 Milliarden Euro, weiterer Anstieg nicht ausgeschlossen.
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