: Nach der Masse kommen neue Aufträge
■ Die Lloyd-Werft bekommt zwei Reparatur-Aufträge / Über alte Verträge neu verhandeln
Der Massekredit für den Bremer Vulkan Verbund war gestern nicht die einzige gute Nachricht der Vergleichsverwalter (siehe auch S. 4). Zwei „namhafte und bedeutende Reeder“ hätten der Vulkan Tochter Lloyd Werft in Bremerhaven Reparaturaufträge erteilt, sagte Wolfgang van Betteray. Als Vergleichsverwalter für die Bremerhavener Vulkan-Standorte Lloyd Werft, Schichau Seebeck Werft und Geeste Metallbau hofft er, möglichst viele der 2.680 Arbeitsplätze retten zu können.
„Zu auskömmlichen Preisen“ sollen nun die ArbeitnehmerInnen bei Lloyd eine Fähre und ein Containerschiff umbauen. Einzelheiten wollte van Betteray nicht mitteilen, die Reeder würden dies selbst tun. Wirtschaftsminister Rexrodt kündigte außerdem an, daß die Bundesregierung mit der EU über eine neue Bauzeitfinanzierung für die Unterweser-Werften verhandele. Heute werde Brüssel darüber entscheiden.
Mit den Reparaturaufträgen sei zumindest Zeit gewonnen, die Werft „in eine überlebensfähige Form“ zu bringen. Auch zu der bereits mehrmals vom Vulkan-Vorstandsvorsitzenden Udo Wagner angekündigten Neustrukturierung des Verbundes oder gar einem lang erwarteten neuen Konzept wollten die beiden Vergleichsverwalter nichts sagen. „Der Osten entscheidet“, sagte Jobst Wellensiek, zuständig für den Vulkan-Konzern. Ihm war es immerhin gelungen, den 40 Gläubigerbanken „eine Summe unter 100 Millionen Mark“ zu entlocken.
Das Massekonto verfügt nach nicht dementierten Gerüchten über 80 Millionen Mark für die laufenden Kosten des Vulkan. Die Vorstände der Banken müssen dem jedoch noch zustimmen. Wellensiek rechnet am Montag der kommenden Woche mit einer Entscheidung. Lehnen die Banker ab, wird es dennoch zu einem Anschlußkonkurs kommen.
Aber auch der bedeutet nicht, daß der Bremer Vulkan völlig erkaltet. Nach einem Konkurs können Unternehmen weitergeführt werden. Die Maxhütte in Bayern hat Wellensiek drei Jahre im laufenden Konkursverfahren fortgeführt. Für den Vulkan hat Wellensiek vorsorglich bereits mit einer weiteren Bank über 50 bis 100 Millionen Mark als Konkursausfallgeld für die ArbeiterInnen verhandelt.
Vorstandsvorsitzender Udo Wagner machte neben dem jovialen Wellensiek einen dünnlippigen Eindruck. Kaum hat er seinen Job angetreten, hat er bereits nichts mehr im Hause Vulkan zu sagen. Wagner wird bis das Vergleichsverfahrens beendet ist zwar als Vorstand entscheiden, nicht jedoch verfügen. Jeder Schritt – Verkäufe, Aufträge, Verträge – muß sich Wagner von Wellensiek genehmigen lassen. „Bislang haben wir einvernehmlich gearbeitet“, sagte Wellensiek.
„Das Fallbeil des Vergleichs“ habe jedoch auch seine guten Seiten, sagte Wagner. Während eines Insolvenzverfahrens kann ein Unternehmen aus alten Verträgen aussteigen oder zumindest nach verhandeln. „Verlustbringende Aufträge“ könnten so gemindert werden. „Wir können nachverhandeln und dadurch mehr Masse für andere Aufträge bringen“, sagte Wagner. Das unter Wert angenommene Kreuzfahrtschiff Costa I werde aber fertig gebaut, sonst sei es gar nichts wert. Ob der Vulkan jedoch weiterhin Luxusliner baut, ist unklar. „Ob der Wiedereinstieg in die Passagierschiffahrt richtig oder falsch war, wird sich in den nächsten Monaten entscheiden“, sagte Wagner.
Sein Vorgänger Friedrich Hennemann wird dies mit Interesse verfolgen. Er hat sich gestern von einem unbekannten Ort außerhalb Bremens gemeldet. Durch sein Büro ließ er vermelden, daß er sich nicht der Strafverfolgung entziehen wolle. Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt seit Samstag gegen Hennemann wegen Veruntreuung von 716 Millionen Mark staatlicher Beihilfen.
Ulrike Fokken
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