piwik no script img

Nach der Loveparade-KatastropheOB-Abwahl unwahrscheinlicher

Die Duisburger Grünen lehnen die Abwahl von Adolf Sauerland ab. Die Anwaltskanzlei von Ex-Innenminister Gerhart Baum sammelt unterdessen Aussagen von Betroffenen.

Zwecklos? Duisburger unterschreiben für die Abwahl ihres Oberbürgermeisters. Bild: dpa

Die Duisburger Grünen scheinen es nicht so leicht zu haben mit ihrer Haltung zu Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Am Mittwochabend hat sich die Ratsfraktion darauf verständigt, dessen Abwahl derzeit nicht zu unterstützen. "Wir haben das lange diskutiert, aber im Augenblick sehen wir nicht die Notwendigkeit", sagte Fraktionsgeschäftsführer Ralf Krumpholz der taz. Es könne noch nicht bewertet werden, ob wirklich so viele Fehler in der Verwaltung gemacht worden seien, die eine politische Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe aufzeigen. "Sauerland sollte sich aber überlegen, ob er nicht die politischen Geschäfte ruhen lässt, bis sich mehr Klarheit eingestellt hat", sagte Krumpholz.

Die Grünen waren bis 2009 Koalitionspartner Sauerlands. Dies sei aber nicht ausschlaggebend für die derzeitige Haltung, sagte Krumpholz. Dieter Kantel, der Fraktionsvorsitzende, ergänzte: "Wir sind uns einig, dass ein Abwahlverfahren für Sauerland derzeit nicht angezeigt ist." Die Fraktion begrüße den am Dienstagabend von der Stadt vorgelegten Zwischenbericht, es sei wichtig, die Öffentlichkeit in den Prozess der Aufklärung einzubeziehen. In drei Wochen will die Stadtspitze einen ausführlichen Bericht vorlegen, bis dahin wollen die Grünen warten.

Die Duisburger Linkspartei ist sich trotz der ablehnenden Haltung der Grünen sicher, dass der Antrag, Sauerland abzuwählen, gestellt werden wird. Bisher sammelt die Fraktion dazu Stimmen aus dem Rat. "Wir haben Signale von der SPD und der FDP bekommen, dass sie unsere Initiative unterstützen, wir brauchen die Grünen nicht dafür", sagte Ute Abraham, die Fraktionsgeschäftsführerin der Duisburger Linkspartei. Für eine tatsächliche Abwahl gibt es aber nach derzeitigem Stand im Duisburger Rat keine Mehrheit. Die CDU hat sich geschlossen gegen Sauerlands Abwahl gestellt.

Vorwürfe gegen Polizei

Unterdessen häufen sich die Anfragen von Besuchern der Loveparade bei Staatsanwaltschaft und Anwälten. Die Düsseldorfer Anwaltskanzlei "Baum & Reiter" des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhart Baum sammelt Zeugenaussagen. "Wir haben bisher rund 30 Anfragen und auch schon ein paar Mandate übernommen", sagte Björn Wieg, einer der Rechtsanwälte der Kanzlei.

Der frühere FDP-Politiker Baum vertrat bereits Opfer des Anschlags auf Djerba 2002 und des Absturzes der Concorde 2000. Noch sei die Kanzlei am Anfang, so Wieg, sie habe aber vor, Anzeigen zu erstatten. Zunächst gehe es darum, Soforthilfe für die Betroffenen zu organisieren und Aussagen zu bündeln. "Eine Sammelklage ist nicht möglich, wohl aber eine Interessengemeinschaft zu bilden", so Wieg. Einzelne Kläger könnten mitunter nicht genug Druck aufbauen. Stünden Verantwortliche fest, werde es sicher zu Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen kommen. Es gebe auch Zeugenaussagen, die die Polizei belasteten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte die Beamten bisher in Schutz genommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • RJ
    Richter Jack

    Guide, Sie hätten es zutreffender nicht sagen können. So war es und so ist es. Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft alle Fahrlässigkeiten und Unterlassungen und Fehler, die zur Katastrophe führten an den Pranger stellen wird und die Verantwortlichen allesamt hart bestrafen wird. Dann wissen andere Größenwahnsinnige für die Zukunft Bescheid.

  • S
    Susanna

    als direkt Betroffene würde ich sicher auch massivst die Schuldigen suchen. Der Verlust eines Menschen ist zumindest etwas leichter zu ertragen wenn man jemanden konkret anklagen kann.

     

    Als ich mir die ganzen Fotos etc über das Loveparadeunglück angeschaut habe dachte ich vermutlich waren die Sicherheitsvorkehrungen eher zu stark.... denn das Hauptproblem der Flüchtenden waren die massiven Absperrgitter an der Rampe um den Zustrom der Leute zu regulieren...

     

    Manchmal kann man auch zuviel kontrollieren und selten alles genau richtig machen aber so wie ich mitgekriegt habe sind die Untersuchungen ja noch in vollem Gange...

  • G
    Guide

    In der Verwaltungen wurden geltende Gesetze einfach übergangen (Fluchtwege, Feuerwehrpläne), Genehmigungen mit nicht tragbaren Zahlenverhältnissen wurden unterschreiben (485.000 erwartete Besucher bei 250.000 zugelassenen Personen für das Gelände, durch den Tunnel gehen höchsten 30000 Menschen/h, in der Spitze wurden aber 145000 Menschen/h angegeben), mindestens ein leitender Beamter wurde zwangsversetzt weil er nicht sein OK dazu geben wollte, ein anderer entledigt sich handschriftlich auf einem Protokoll der Verantwortung.....

     

    Schon bei diesen wenigen Fakten die auf dem Tisch liegen, wie kann die Stadt bitte da nicht mit schuldig sein?

     

    Was die Katastrophe verursacht hat ist jetzt schon offensichtlich, eine grandiose Fehlplanung beim Veranstalter und eine Stadt die das fahrlässig oder sogar gewollt genehmigt hat.

     

    Wie dann an dem Tag der Loveparade reagiert wurde und wo die Polizei kläglich versagt hat ist doch erst der zweite Schuh, den man sich danach anschauen muss.

  • W
    Wolfgang

    Eine unendliche Geschichte.

    Neu aufgelegt von ?????????