Nach den Progromen gegen Muslime 2002: Seltenes Urteil in Indien

Ein Sondergericht in Bombay verurteilt elf Männer zu lebenslanger Haft, weil sie Muslime vergewaltigt und getötet hatten.

Ein Hindu-Aktivist während eines Progroms gegen Muslime in Indien Bild: dpa

DELHI taz Wegen Mordes an 14 Menschen und Vergewaltigungen während der antimuslimischen Pogrome 2002 im indischen Bundesstaat Gujarat hat jetzt ein Sondergericht in Bombay elf Männer zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Polizist wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er Ermittlungen behindert hatte. Sieben Angeklagte, fünf weitere Polizisten und zwei Ärzte, wurden freigesprochen.

Es ist einer der wenigen Fälle, in denen Opfer der antimuslimischen Ausschreitungen Recht bekamen. Denn das war in Gujarat selbst nicht möglich: Das Oberste Gericht des Landes in Delhi hatte den Fall 2004 nach Bombay verwiesen, nachdem ein lokales Gericht den Fall zuvor "wegen Mangels an Beweisen" fallengelassen hatte.

Im März 2002 hatten Anhänger einer fanatischen Hinduorganisation in ganz Gujarat Muslime gejagt. Bilkis Banu versuchte, sich mit 14 Mitgliedern ihrer Familie in Sicherheit zu bringen. Auf einer Landstraße in der Nähe ihres Dorfes Penivela wurde die Gruppe von einem Dutzend Männer angehalten. Ein Mann riss Banu ihre dreijährige Tochter aus den Händen und schleuderte das Kind auf den Boden. Die Angreifer vergewaltigten die Frauen und töteten danach alle Opfer. Banu überlebte als Einzige, weil sie sich tot stellte. Dank ihrer Aussage wurden die Mörder verurteilt.

Damals fielen den Pogromen über 3.000 Menschen zum Opfer. Der fanatische "Welthindurat" (VHP) hatte seine Anhänger bewaffnet auf die Straßen geschickt. Zuvor waren bei einem Brand in einem Zug 58 Hindufanatiker ums Leben gekommen. Schnell hieß es, Muslime hätten Brandsätze in den Zug geschleudert, der sich gerade in einem muslimischen Viertel in der Kleinstadt Godhra befand, als das Feuer ausbrach. Spätere Untersuchungen zeigten, dass vermutlich ein Unfall den Brand verursacht hatte.

Vertreter des VHP und der in Gujarat regierenden hindunationalistischen Partei BJP führten den Mob an. Oft schaute die Polizei tatenlos zu und deckte später die Mörder. Das Magazin Tehelka veröffentlichte erst kürzlich mit versteckter Kamera gefilmte Gespräche mit einigen der Mörder. Viele von ihnen sagten, Narendra Modi, Gujarats fundamentalistischer BJP-Chef und Ministerpräsident, habe zu den Morden aufgerufen.

Viele Überlebenden leben bis heute in Angst. Sie trauen sich nicht in ihre Städte und Dörfer zurück, weil sie dort den Mördern ihrer Angehörigen in die Augen schauen müssten. Denn nur ganz wenige Täter sind je zur Rechenschaft gezogen worden. Banu, die seit dem Massaker untergetaucht ist, sagte, sie wünsche sich, in ihr Dorf zurückzukehren und dort in Frieden zu leben. Die Chancen dafür stehen schlecht. Die VHP-Fanatiker erklärten nach dem Massenmord ganze Landstriche Gujarats zu "von Muslimen befreiten Zonen". Und Narendra Modi wurde erst kürzlich von der Hindu-Mehrheit zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten Gujarats gewählt.

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