Nach den Hessenwahlen: FDP gegen Ampel
Man werde nicht das "Stützrädchen" am rot-grünen Koalitionswägelchen sein, sagt Hessens FDP-Partei- und Landtagschef Jörg-Uwe Hahn.
WIESBADEN taz Die FDP hat am Sonntag mit 9,4 Prozent ihr bestes Ergebnis bei Landtagswahlen in Hessen seit 1978 erzielt, die Grünen sind nun Nummer vier. Und hätten Ministerpräsident Roland Koch und die Union nicht den "gigantischsten Absturz" (SPD) in der Geschichte der hessischen CDU zu verantworten, wären die Liberalen in Wiesbaden bald auch wieder Regierungspartei gewesen. Auf die Koalition mit der Union - und nur auf diese Koalition - hatte sich die FDP schließlich schon vor einem Jahr parteiintern verständigt.
Roland Koch kann noch fünf Jahre lang Ministerpräsident bleiben, wenn der Landtag es nicht schafft, eine neue Regierungschefin/einen neuen Regierungschef zu wählen. Für die Wahl des Ministerpräsidenten nämlich verlangt Artikel 110 der Landesverfassung eine qualifizierte Mehrheit und lässt auch in einem möglichen zweiten oder dritten Wahlgang keine einfache Mehrheit zu. Das heißt, dass Andrea Ypsilanti (SPD), sollte sie sich auf der konstituierenden Landtagssitzung am 5. April zur Wahl stellen, wenigstens 56 Stimmen - von insgesamt 110 - auf sich vereinigen muss. Wenn nicht, bleibt die Regierung Koch geschäftsführend im Amt. Zuvor jedoch muss die Landesregierung zurücktreten. KPK
Daraus wird nun nichts werden. Und doch spielt die FDP bei der Suche nach einer regierungsfähigen Mehrheit in Hessen weiter eine Schlüsselrolle - jedenfalls für die Spitzenkandidatin der SPD, Andrea Ypsilanti. Sie forderte die FDP schon in der Wahlnacht zu einem Lagerwechsel auf. Die Ampelkoalition, zu deren Installation auch der grüne Wahlverlierer vorsichtig seine Bereitschaft signalisierte, sei schließlich ein gangbarer Ausweg aus den aktuellen hessischen Verhältnissen - für die SPD. Für die so umworbene FDP aber nicht. Man werde nicht das "Stützrädchen" am rot-grünen Koalitionswägelchen sein, stellte Partei- und Landtagsfraktionschef Jörg-Uwe Hahn am Montag "klipp und klar" fest. Um Spekulationen zu beenden, erklärte Hahn seine FDP schnell zur "Oppositionspartei". Für eine Ampelkoalition fehle die inhaltliche Grundlage. Die FDP werde sich "nicht verbiegen". In Hessens FDP widersprach ihm niemand.
Folgerichtig erteilte Dieter Posch, Vizechef der Landespartei und ehemaliger hessischer Wirtschaftsminister der CDU/FDP-Koalition der Jahre 1999 bis 2003, auch dem "Denkmodell" einer Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen eine "klare Absage". Von den Grünen trennten die FDP schließlich Welten, und zwar bei fast allen Themen: beim Flughafenausbau, in der Energiepolitik, bei allen Bildungsfragen und in der Hochschulpolitik. Auch Posch sieht die FDP "auf den Oppositionsbänken". Ungehört verhallten Appelle etwa des hessischen SPD-Generalsekretärs Norbert Schmitt an die "staatsbürgerliche Verantwortung" der FDP, sich zur Verhinderung einer großen Koalition einer Ampelkoalition zu öffnen. Auch das Argument der Unregierbarkeit des Landes zog nicht. Unbeeindruckt ließen Posch auch Hinweise darauf, dass es die FDP in der Hand habe, mit ihrer Beteiligung an einer Ampel- oder Jamaikakoalition die Linkspartei auszuschalten, wie der FDP-Bundesvizechef Rainer Brüderle am Montag erklärte: Staatsbürgerliche Verantwortung einer Partei sei es, zu dem zu stehen, was sie vor der Wahl gesagt habe, konstatierte Posch. Und dass es nicht Aufgabe der FDP sei, das Votum der Bürger nachträglich zu korrigieren.
Nichts geht also mit der FDP. Noch nicht jedenfalls. Denn die FDP hat nicht nur in Hessen ein Imageproblem. Die "Umfallerpartei" will nicht schon wieder wortbrüchig werden. Noch dazu favorisiert auch Bundesparteichef Guido Westerwelle mit Blick auf die nächste Bundestagswahl eine Koalition mit der Union. "Politik aus einem Guss" nennt das die FDP. Inzwischen gibt es allerdings auch Stimmen, die vor einer vorzeitigen Koalitionsaussage zugunsten der Union warnen. So sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende Cornelia Pieper, dass frühestens vier Wochen vor der Bundestagswahl über eine Koalitionsaussage geredet werden solle. Die FDP sei im Aufwind und könne aus eigener Kraft auf 12 Prozent kommen.
Hessenchef Hahn glaubt jetzt, dass es im Landtag zu einer Zusammenarbeit zwischen SPD, Grünen und Linken kommen werde. Das hat Hahn nie gewollt - aber jetzt schaut er tatenlos zu. Doch nicht lange, glaubt Hahn. Spätestens 2009 werde es Neuwahlen in Hessen geben.
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