Nach dem Tod Whitney Houstons: Die Nekrophilie des Pop
Der Tod ist ein sanfter Kosmetiker, er macht aus Gefallenen wieder Götter. Michael Jacksons Kinderliebe, Amy Winhouses Drogenkonsum – alles vergessen.
Kaum ist die Alte kalt, ist Whitney Houston vergessen. Zumindest als die Frau, die sie zuletzt war: ein bemitleidenswerter Restposten des internationalen Pop, ein ausgemergelter Kokainschatten, eine Sängerin, die kein Konzert mehr durchstand.
Voll des salbungsvollen 3-Oktaven-Stimmumfangs-Sermons sind die Nachrufe am Tag nach ihrem Sterben, schwelgen in Erinnerungen an Houstons glamouröse Zeiten, als sie sich in "Bodyguard" auf den starken Armen von Kevin Costner vor durchgeknallten Fans retten ließ.
Das Popgeschäft ist nekrophil. Bereitwillig schalten selbst die Klatschmagazine, die Houston im letzten Jahrzehnt gerne als fertige, vom Ex-Ehemann Bobby Brown Zerschundene abbildeten, sofort auf Souldiva-Popikonen-Modus um, sobald der Mensch Whitney Houston nicht mehr unter den Lebenden ist.
Ein Mechanismus, über den sich inzwischen schon niemand mehr aufregt – man erinnere sich an den merkwürdigen "King of Pop"-Popanz nach dem Tod von Michael Jackson, der mit einem Schlag seine eigenwillige Kinderliebe und den Hang zur operativen Selbstverstümmelung aus dem öffentlichen Bewusstsein wischte.
Amy Winehouses Crack-Eskapaden waren leider zu deutlich, um sie zu tilgen. Also verklärte man sie zu – Kunst. Künstler, hochtalentierte, waren sie nun plötzlich nur noch. Sie hätten noch so viel geben können, wenn, ja wenn sie nicht viel zu früh von uns genommen worden wären. Die Alben der Toten stehen unterdessen wieder ganz oben in den Charts.
Selbst sonst scharfzüngige Musikredakteure erinnern sich wieder zärtlich an die ersten Engtänze und Zugenküsse zu den Schmonzetten dieser Sänger. Wie leicht es sich an Erfolg, Geld, medialer Dauerbeobachtung scheitern lässt, haben sie vergessen.
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