Nach dem Testspiel gegen Uruguay: Joachim Löw ist entzückt
Für den Bundestrainer ist nichts weniger als der Titel das anvisierte Ziel für die EM 2012. Nach dem 2:1-Sieg gegen Uruguay wollte er dann doch nicht so hohe Maßstäbe anlegen.
BERLIN taz | Alle waren rundum zufrieden. Das Hoffenheimer Publikum war bei seiner Länderspielpremiere dem deutschen Team sowieso in Dankbarkeit ergeben und bedachte jeden gut gemeinten Pass mit Applaus.
Aber auch die umjubelten Nationalspieler und ihre Kontrahenten aus Uruguay äußersten sich nur positiv über ihre Vorstellung. Selbst Bundestrainer Joachim Löw stellte nach dem 2:1-Erfolg fest, dass seine Mannschaft gar seine eigenen Erwartungen übertroffen hatte. Mit "so viel Tempo im Spiel" hatte er nicht gerechnet.
Wenige Tage vor der Partie hatte Löw mit Blick auf die Europameisterschaft 2012 noch verkündet, seine Ansprüche seien "extrem gestiegen". Der 51-Jährige ist gerade dabei, einen Paradigmenwechsel von der "höchsten Konzentration" zu den "höchsten Ansprüchen" einzuläuten. Am jüngst unverblümt anvisierten EM-Titelgewinn will Löw das Team künftig messen lassen. Des Beifalls seines Vorgängers und Möchtegern-Weltmeisters, Jürgen Klinsmann, kann er sich gewiss sein.
Aber beim Spiel vom Sonntag legte Löw keinen allzu harten Maßstab an – aus guten Gründen. Zum einen hatten seine Spieler nach einer langen Saison und einem Kurzurlaub nur zwei Trainingseinheiten absolviert. Zum anderen richtet sich sein strenger Blick auf die beiden EM-Qualifikationsspiele am Freitag in Österreich und wenige Tage später in Aserbaidschan.
Uruguay: In den Top-Ten der Weltrangliste
Die Begegnung gegen Uruguay stand außer Konkurrenz. Das Top-Ten-Team der Fifa-Weltrangliste sei mit den kommenden Gegnern eh nicht vergleichbar, befand Löw. Ein Probefahrt auf anderem Gelände also, für die der Fußballlehrer großzügig beste Zensuren verteilte, weil ihn die Geschwindigkeit berauschte. "Sehr gut", bewertete er die Leistung von Mario Gomez, der beim 1:0 gleich zwei Abwehrspieler narrte.
Und "sehr gut" fand er auch die Darbietung von André Schürrle, der in seinem erst dritten Länderspiel auf ein prachtvolles Zuspiel von Mesut Özil einen noch prachtvolleren Distanzschuss zum 2:0 folgen ließ. Besonders erfreut haben wird Löw, dass der von ihm ausgerufene verschärfte Konkurrenzkampf ("högschde Ansprüche") bereits bei einem Freundschaftsspiel eine beträchtliche Dynamik entfalten kann.
Ebenso dürfte ihn erfreut haben, dass die so forsch daherspielenden Herausforderer sich jenseits des Rasens brav in Zurückhaltung üben. Der im Nationalteam ansonsten oft so glücklose Gomez wollte sein gutes Spiel nicht als Punktsieg gegen Miroslav Klose gewertet wissen: "Meine Zeit wird kommen. Wann das ist, wird man sehen. Ich bin etwas entspannter als früher und mache nicht mehr alles auf Teufel komm raus."
Und obwohl Schürrle auf dem Podium dabeisaß, als Löw sein Spiel ohne Ball lobte und damit zugleich dem in dieser Disziplin verbesserungsbedürftigen Konkurrenten Lukas Podolski eine Warnung zukommen ließ, machte der 20-jährige einen Bückling vor seinem fünf Jahre älteren Rivalen. "Podolski ist gesetzt, weil er so viel für das deutsche Team geleistet hat."
Wie Schürrle so am Sonntagabend in der Mixed Zone mit einer Plastiktüte in der rechten Hand dastand und die unzähligen Reporterfragen beantwortete, da musste man ihm einfach aufs Wort glauben, dass er gedanklich mit seinen steilen Karrieresprung kaum Schritt halten kann: "Ich versuche mir wenig Gedanken zu machen, sonst werde ich verrückt."
Mats Hummels dürfte als Stammkraft eingeplant sein
Ein Herausforderer der WM-Elf, Mats Hummels nämlich, dürfte mittlerweile bei Löw schon als Stammkraft eingeplant sein. Gegen Uruguay fiel er zwar nur offensiv positiv auf, was einen Innenverteidiger nur bedingt zufriedenstellen kann, doch das war auch der allgemeinen Sturm-und-Drang-Ausrichtung dieses Benefizspiels der Sepp-Herberger-Stiftung geschuldet. Auf beiden Seiten strebten die Abwehrreihen so wenig nach Ballbesitz wie Kapuzinermönche nach materiellem Reichtum. Ganz im Sinne der Wohltätigkeitsveranstaltung wurde der Ball eben mehr gegeben als genommen.
In dieser friedfertigen Hoffenheimer Atmosphäre wurde Löw weitgehendst mit Fragen nach Michael Ballack verschont. Keiner wollte die Abstimmungsprobleme von Simon Rolfes und Toni Kroos thematisieren. Auf der Sechser-Position genügen derzeit nur Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira höchsten Ansprüchen. Letzterer wird in Wien wohl wieder mitwirken können.
Zum Glück für Löw. Die sowieso schon verkorkste Abwicklung der Personalie Ballack dürfte noch verkorkster erscheinen, wenn sich das defensive Mittelfeld zur Schwachstelle im deutschen Spiel entwickelt.
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