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Nach dem Massaker in MaliRache im Dogon-Land

Islamisten sollen für den Angriff auf ein Dorf mit 95 Toten verantwortlich sein. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich weiter.

Eine der ersten Aufahmen des malischen Fernsehens aus dem Anschlagsort Foto: reuters

Cotonou taz | So deutlich wurde Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta bisher nach keinem Anschlag. Doch jetzt brach Ibrahim Boubacar Keïta sogar seinen Aufenthalt in der Schweiz ab und sagte, das Überleben Malis stehe auf dem Spiel.

Grund dafür ist das Massaker von Soban Dah, einem Dorf im Dogon-Land im Zentrum Malis. Am Sonntag sind dort mindestens 95 Menschen ums Leben gekommen, Dutzende wurden verletzt, nach einigen wird weiter gesucht. Die UN-Mission in Mali (Minusma) kündigte Luftunterstützung für Malis Streitkräfte an, um weitere Angriffe zu verhindern.

In Medienberichten zitierte Augenzeugen erzählten, dass am Sonntag in den Ort, der zur Gemeinde Sangha gehört und in der Region Mopti liegt, bewaffnete Männer eindrangen. Sie hätten „Allah ist der Größte“ geschrien. Sie schlachteten Tiere ab und brannten Häuser nieder. Das Dorf mit seinen rund 300 Einwohnern soll komplett ausradiert worden sein.

In Mali ist es in diesem Jahr bereits der dritte schwere Angriff, der ausschließlich Zivilisten gilt. Erst im März starben in den Dörfern Ogossagou und Welingara, die ebenfalls im Zentrum des Landes liegen, mehr als 150 Menschen.

Damals gehörten die Opfer überwiegend der ethnischen Gruppe der Peul – in anglophonen Ländern heißen sie Fulani – an, und als Täter wurde eine traditionelle Dogon-Jäger-Miliz identifiziert. Nun galt der Überfall einem Dogon-Dorf. Das klingt nach Rache, und es könnte nicht die letzte sein.

Die Dogon-Miliz Dan Na Ambassagou wertet das neue Massaker als „Kriegserklärung“ und fordert alle „Männer des Landes“ auf, für „das Überleben der Bevölkerung und die Freiheit des Landes“ zu kämpfen. Die Konflikte zwischen den Gruppen, die seit Jahrzehnten in der Region leben, haben seit 2015 stark zugenommen. Auf beiden Seiten sollen Selbstverteidigungsmilizen für Sicherheit sorgen.

Angriffe auch in Burkina Faso

Malische Regierungsvertreter schreiben den Angriff Dschihadisten zu. Nach Einschätzung des Bürgermeisters von Sangah, Aly Dolo, seien einige der Angreifer bekannt gewesen. Die Vorgehensweise würde für den radikalen Peul-Islamistenführer Amadou Koufa sprechen, Gründer der Befreiungsfront von Macina (FLM), die seit 2017 mit den bewaffneten islamistischen Gruppen Ansar Dine und Al-Mourabitoun kooperiert.

Eine Miliz fordert alle Männer des Landes auf, für „das Überleben und die Freiheit“ zu kämpfen

Als „Unterstützergruppe des Islams und der Muslime“ (JNIM) verüben diese Terroristen zunehmend Anschläge auch im Nachbarland Burkina Faso. In der Stadt Arbinda im Norden Burkina Fasos kamen ebenfalls am Sonntag 19 Menschen ums Leben.

Erst Ende Mai schrieb die International Crisis Group (ICG) in einem Bericht zu Mali, die Regierung müsse ihre Taktik im Kampf gegen Amadou Koufa überdenken. Alle Möglichkeiten, damit nicht noch mehr Zivilisten sterben, sollen analysiert werden. Dazu gehöre auch, mit Koufa Gespräche zu führen. Schließlich seien die Chancen, seine Bewegung militärisch zu besiegen, gering.

Wenige Tage später hieß es von Seiten der Regierung, generell zu Gesprächen bereit zu sein. Der Terror, der vor sieben Jahren den Norden Malis der Kontrolle des Staates entzogen hatte, breitet sich schließlich immer weiter nach Süden aus.

Das macht inzwischen sogar die Organisation von Wahlen unmöglich. Vergangene Woche beschloss die Regierung ein Gesetz, um die Mandate der Parlamentsabgeordneten bis Mai 2020 zu verlängern. Gewählt werden sollte eigentlich schon Ende 2018.

Jetzt heißt es, dass „geregelte und transparente Parlamentswahlen“ in Mali, einem Vorzeigeland der militärischen Intervention gegen Islamisten in Afrika, nicht möglich seien.

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1 Kommentar

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  • Nun- wie manche wissen: Ich wohne ab und zu in Mali.



    Und ich spreche viel mit den Menschen dort



    Wenn, unter eine Zahl von Besatzungstruppen (die ja letztendlich alle ein anderes Ziel haben...) , nun die IS Angriffe steigen, kann auch die Ursache Wirkungsverkehrung eine Rolle spielen.



    Des weiteren hat "der Westen" ein genuines Interesse daran Wahlen möglichst lange hinauszuzögern um einen Präsidenten, der den Abzug von Truppen fordert, zu verhindern. (Während der Hilfe durch Ghaddafi schaffte es Mali aufzusteigen- ob DAS erwünscht war??)Auch im m Dogon Land haben christl. evangelikale Missionare und Reverends eine alte gewachsene Dorfstruktur zerstört. Ich war in einem Dorf, in dem selbst Familienmitglieder jeweils andere Kirchen besuchten. Ja, auch "der Islam" hat fuß gefasst, wurde jedoch als "afrikanischer" als die anderen, Solidarität zerstörenden, Kirchen aufgefasst. Daß der alte Dogonglaube mit den puppentätnzen irgendwann verschwinden würde, war abzusehen- sie wollten eben nicht länger als rückständige Zwiebelbauern gelten. Daß aber der Kapitalismus so schnell, mit seinen gesellschaftszerstörenden Aktivitätten , Fuß fassen würde war auch den Dogons unheimlich. Aber klar- einen "Geisterglauben" auszutreiben...DAS machen religiöse Eiferer halt gerne. Der IS? Man hält ihn auch dort für ein Geschenk westl. Interessenspolitik.