Nach dem Erdbeben in Japan: Situation in Akw weiter kritisch
Aus dem Akw Fukushima wollen die Behörden leicht radioaktiven Dampf ablassen. Die Bevölkerung sei nicht gefährdet. Doch solange die Kühlung nicht richtig funktioniert, droht eine Kernschmelze.
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TOKIO/BERLIN dpa/rtr/afp/dapd/taz | Nach dem Versagen des Kühlsystems im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Nordosten Japans haben die Behörden entschieden, den leicht radioaktiven Dampf aus einem Reaktorbehälter abzulassen. Dies berichtete die Internationale Atomenergiebehörde IAEA am späten Freitagabend in Wien unter Berufung auf japanische Behörden.
Der kontrolliert freigesetzte Dampf sollte gefiltert werden, um Radioaktivität in der Anlage zu halten, teilten japanische Behörden der IAEA mit. Nach einer Experteneinschätzung aus Wien ist es aber unwahrscheinlich, dass in solch einer Situation keinerlei Radioaktivität freigesetzt wird. Grund für die Maßnahme ist, dass der Druck in einem der sechs Behälter auf das Anderthaltbfache des Normalstands angestiegen war.
Die Ingenieure täten ihr Möglichstes, um das Kühlsystem wieder in Betrieb zu setzen, teilte die Behörde mit. Der Erfolg dieser Maßnahme sei jedoch nicht garantiert. Die Betreiberfirma Tepco wisse nicht, wie stark die radioaktive Strahlung im Inneren ist. Wenn die Kühlung nicht wieder in Betrieb gesetzt werden kann, droht eine Kernschmelze – denn obwohl die Reaktoren bereits abgeschaltet sind, produzieren sie immer noch Wärme.
Nach dem Erdbeben am Freitag war die Stromversorgung für das Kühlsystem ausgefallen. Selbst die Notstromgeneratoren hatten versagt. Ein Mitarbeiter der Atomsicherheitsbehörde erklärte, derzeit werde der Reaktor mit einem zweiten System gekühlt, das aber nicht so effektiv sei wie die eigentliche Anlage.
Kabinettssekretär Yukio Edano hatte zuvor erklärt, falls man Druck aus dem Reaktorbehälter ablassen müssen, werde die freigesetzte Menge an Radioaktivität "sehr gering" sein. Weil bereits Evakuierungen angeordneten seien und der Wind Richtung Meer wehe, "können wir Sicherheit garantieren", sagte er auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz.
US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, Washington stelle Japan Kühlflüssigkeit zur Verfügung. Gewährsleute erklärten später, Clinton habe sich versprochen. Die USA hätten Japan die Bereitstellung von Kühlmittel angeboten, Tokio habe dies aber abgelehnt.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen sagte am Abend in Bonn, er sehe trotz der Schwierigkeiten bei den japanischen Kernkraftwerken keine Gefahren für Deutschland. Die Entfernung von Japan nach Deutschland sei zu weit. Im Bundesumweltministerium in Bonn wurde ein Krisenstab eingerichtet, der das Geschehen in Japan ständig verfolgt. "Ich bin überzeugt, dass die Japaner alles tun werden, um einen Atomunfall zu verhindern", sagte Röttgen."Sie sind dazu auch gut in der Lage."
Notkühlsystem nur noch im Batteriebetrieb
Das Notkühlsystem des Atomkraftwerks Fukushima war nach japanischen Informationen nur noch im Batteriebetrieb gelaufen. Die japanische Regierung ließ vorsichtshalber tausende Menschen aus der Region evakuieren. Wegen des Bebens hatten sich nach Angaben der Regierung in Tokio elf Atomkraftwerke automatisch abgeschaltet.
Die Agentur Jiji hatte Freitagmittag gemeldet, dass im Akw Tepco Fukushima Daiichi, betrieben von der Firma Tokyo Electric Power, das Kühlsystem ausgefallen sei. Radioaktivität sei aber nicht ausgetreten. Später meldete Jiji unter Berufung auf die Regionalbehörden in Fukushima, die Kühlsysteme seien intakt.
Laut einer Nachricht auf der Facebookseite von Asahi Japan Watch hatte im Kraftwerk in Fukushima die Notstromversorgung nicht funktioniert. Infolgedessen, so weiter auf der Facebookseite, sei das Kühlsystem kollabiert. Die japanische Regierung beschloss dann, den atomaren Notstand auszurufen. Dieser wird ausgerufen, wenn sich der Austritt von Radioaktivität bestätigt hat oder wenn ein Kühlsystem ausfällt.
An den Atomkraftwerken in dem betroffenen Gebiet seien keine Schäden zu verzeichnen, hatte Japans Premierminister Naoto Kan zu Anfang noch gesagt. Gleichzeitig berichtete der Sender NHK, dass der Premier eine Sondereinheit zum Schutz von Anwohnern im atomaren Notfall geschaffen hat.
Auch die UN-Atomenergiebehörde IAEA hatte zunächst das Problem heruntergespielt: Die vier Atomkraftwerke, die dem Epizentrum am nächsten liegen, seien "sicher" abgeschaltet, hatte die Behörde mitgeteilt. Der IAEA-Darstellung hatte der Greenpeace-Kernphysiker Heinz Smital entgegnet: "Selbst wenn das AKW heruntergefahren ist, ist man damit noch nicht auf der sicheren Seite, denn die Kühlung muss weiter stabil gehalten werden".
Der Regierungschef habe den atomaren Notfall deswegen ausgerufen, damit die Behörden leicht Notfallmaßnahmen ergreifen können, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Es seien keine radioaktiven Lecks in oder in der Nähe von Atomkraftwerken festgestellt worden. Anwohner von Atomkraftwerken müssten aber keine besonderen Maßnahmen ergreifen, hieß es erst kurz zuvor von staatlicher Seite aus.
Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, dass im Akw Onagawa der Firma Tohuko Elec ein Feuer ausgebrochen ist. Zuvor hatte Kyodo berichtet, der Betreiber habe keine Informationen über irgendwelche Probleme mit seinem Atomkraftwerk.
Ein Drittel des Strombedarfs aus Atomkraft
Rund ein Drittel des japanischen Strombedarfs stammt aus den derzeit mehr als 50 Atomkraftwerken. In Japan sind alle Atomkraftwerke mit Erdbebenmessgeräten ausgerüstet. Bei einem Beben werden die Reaktoren automatisch heruntergefahren. Bei dem Erdbeben am Freitag schalteten sich nach Angaben der Regierung elf Akw automatisch ab.
Alle japanischen Atommeiler müssen auf felsigem Untergrund gebaut werden, dies dient dazu, Erschütterungen zu dämpfen. Am Meer liegende Kraftwerke sind zusätzlich mithilfe von Mauern gegen Tsunamis gesichert. Nach dem verheerenden Erdbeben in Kobe im Jahr 1995, bei dem mehr als 6400 Menschen ums Leben kamen, wurden die Vorschriften noch einmal verschärft. Seitdem müssen alle Reaktoren mindestens Erdstößen der Stärke 7,75 standhalten können, in besonders gefährdeten Regionen sogar Beben bis 8,25. Das Beben vom Freitag hatte eine allerdings eine Stärke von 8,8 bis 8,9.
Die Japanischen Inseln liegen auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring. Es handelt sich um eine der seismisch aktivsten Erdregionen, so dass Erdstöße in Japan keine Seltenheit sind. Wegen der geographischen Lage werden in Japan zahlreiche Häuser erdbebensicher gebaut, die Bürger werden regelmäßig über die Gefahren aufgeklärt. Japan setzt dabei außerdem auf ein eigenes Messverfahren, das nicht die durch Erdbeben entstehende Energie misst, sondern die an der Erdoberfläche gemessenen Auswirkungen bestimmt. So beschreibt das System das Ausmaß der Folgen des Bebens.
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