Nach dem Beben in Chile: Verspätete Hilfe für die Opfer
Noch immer kommt Hilfe aus dem Ausland kaum an. Der Nationalstolz der chilenischen Regierung behinderte die Lieferungen.
PORTO ALEGRE taz | Am fünften Tag nach dem Erdbeben in Chile hat sich die Lage im Katastrophengebiet an der Pazifikküste leicht entspannt. Alle Orte seien mittlerweile auf dem Landweg zu erreichen, sagte gestern Infrastrukturminister Sergio Bitar. Auch zu massiven Plünderungen wie in den ersten Tagen kam es wegen der Präsenz von mittlerweile 12.000 Soldaten nicht mehr. Im Großraum Concepción, wo eine Million Menschen leben, verlängerte die Armee die Ausgangssperre auf 18 Stunden bis zwölf Uhr mittags. Wasser und Strom gab es nur in wenigen Bezirken.
Die amtlich bestätigte Zahl der Toten lag am Mittwochmorgen bei 799, Hunderte werden immer noch vermisst. Vom stärksten Beben der letzten 50 Jahre sind zwei Millionen Menschen betroffen. Vielerorts trafen erst am Dienstag die ersten Hilfslieferungen ein. "Ich verstehe es nicht", sagte Sandra González aus der Provinzhauptstadt Talca. "Nach Haiti hat unsere Regierung innerhalb von 12 Stunden Hilfsgüter geliefert."
Die erste Hilfe aus dem Ausland, die die Regierung offiziell entgegennahm, waren 62 Satellitentelefone, die US-Außenministerin Hillary Clinton tags darauf im Gepäck hatte - und das, obwohl erste Hilfsangebote aus aller Welt bereits wenige Stunden nach der Katastrophe eingetroffen waren. Etliche Regierungen und die UN wurden mit der Auskunft hingehalten, man müsse erst eine Liste mit den benötigen Gütern ausarbeiten, berichtete die Tageszeitung La Tercera. So habe Israel schon am Samstag Feldlazarette, mobile Brücken und Wasserreinigungsanlagen angeboten, doch die stereotype Antwort habe gelautet: "Alles unter Kontrolle."
Außenminister Mariano Fernández sagte: "Wir sind dankbar für die Angebote, aber wir wollen die Hilfen nicht behindern, die andere Länder wie Haiti nötiger haben." Dennoch lobte die stellvertretende UN-Nothilfekoordinatorin Catherine Bragg am Dienstag die "klare Führung" der Regierung.
Streit gab es auch darüber, ob durch klare Tsunamiwarnungen nicht Hunderte vor den Sturmwellen hätten gerettet werden können, die eine halbe Stunde nach dem Beben der Stärke 8,8 über die Küstenorte hereinbrachen. Die ersten Informationen der Marine seien so ungenau gewesen, dass klare Anweisungen unmöglich gewesen seien, sagte Zivilschutz-Chefin Carmen Fernández. Die Bevölkerung sei nicht ausreichend auf derartige Katastrophen vorbereitet, räumte sie ein, "dafür haben wir keinen Etat."
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