Nach Verhaftung am Kölner Flughafen: Terrorverdächtige aus Haft entlassen
Die Festnahme zweier junger Männer am Kölner Flughafen beruhte offenbar auf sehr wenigen Indizien.
BERLIN taz Die zwei Terrorverdächtigen, die vor zehn Tagen am Kölner Flughafen festgenommen wurden, sind am Dienstag aus der Haft entlassen worden. "Das freut uns. Und genau das wollten wir mit unserer Haftbeschwerde erreichen", sagte Rechtsanwalt Mutlu Günal, der einen der beiden Männer vertritt, der taz. Die Beweislage habe seiner Meinung nach nicht für eine Inhaftierung ausgereicht. Der zuständige Bonner Staatsanwalt, Fred Apostel, wollte am späten Dienstag Nachmittag eine Presseerklärung abgeben.
Damit gerät die Anti-Terror-Aktion für die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen nachträglich zum Fiasko. Die Männer, der 24-jährige Deutsche Omar D. sowie der 23 Jahre alte Somalier Abdirazak B., standen im Verdacht, sich am "heiligen Krieg" und möglicherweise an Anschlägen beteiligen zu wollen. Die Polizei hatte sie am frühen Morgen des 26. September in einem startbereiten Flugzeug festgenommen. Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte daraufhin von einem Beleg für die gute Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern bei der Terrorbekämpfung gesprochen. Der Zugriff habe gezeigt, "dass wir wachsam sind".
Jetzt machte die Staatsanwaltschaft dem Innenminister einen Strich durch die Erfolgsrechnung. Wohl auch deshalb, weil Anwalt Günal am Montag eine zehnseitige Haftbeschwerde eingelegt hatte, nachdem ihm Akteneinsicht gewährt wurde: "Darin haben wir deutlich aufgezeigt, was alles schief lief." Etwa, dass ein im Reisegepäck gefundenes Schriftstück, das zunächst als Abschiedsbrief gewertet worden war, sich dann aber als Liebesbrief entpuppte, nicht einmal im Haftbefehl aufgeführt wurde. Auch die darin erwähnten Kurznachrichten, die die beiden Verdächtigen sich kurz vor dem Abflug zugeschickt haben sollen, seien nur unvollständig vorhanden gewesen.
Es dürften wohl vor allem diese Mitteilungen gewesen sein, die die Behörden derart beunruhigten, dass sie einschritten, bevor das Flugzeug abgehoben war. Denn in den SMS fand sich das Wort "Paradies". Doch ein versteckter Hinweis auf einen Terroranschlag sei darin schwerlich zu erkennen gewesen, betont Günal. So habe einer der beiden Männer lediglich den Abschiedsschmerz des anderen lindern wollen, indem er diesem per Kurzmittleilung schrieb, er werde seine Freundin doch spätestens im Paradies wieder sehen. "Das sollte als Indiz für einen bevorstehenden Terroranschlag reichen?"
Zudem zeigten die Akten, dass sich die Bundesanwaltschaft frühzeitig weigerte, den Fall zu übernehmen. Die Karlsruher Behörde war demnach schon am Tag der Festnahme der Auffassung gewesen, dass keine strafbaren Handlungen vorliegen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken