Nach Umweltkatastrophe in Italien: Protest der 10.000 Gummistiefel

Nach den Überschwemmungen in Italien soll wieder alles wie zuvor werden. Demonstrierende kippen deshalb in Bologna Schlamm vor den Regierungssitz.

Aufräumarbeiten nach der Überschwemmung, Mann mit Besen

Ende Mai in Faenza, Norditalien: So sah es nach den Überschwemmungen aus Foto: dpa

BOLOGNA taz | „Bonaccini, wir kommen!“, tönten die Chöre der Demonstration der „10.000 stivali“, der 10.000 Gummistiefel, die am Samstag in Bologna stattgefunden hat. Mehrere tausend Teil­neh­me­r:in­nen aus verschiedenen linken Gruppen, Umweltbewegungen und Gewerkschaften kamen zusammen, um eine Ladung Schlamm vor dem Sitz der Region Emilia Romagna abzuladen. Einige haben ihre Gummistiefel und Schaufeln dabei. Sie wollen den Schlamm aus den überschwemmten Gebieten an den Absender zurückzuschicken: die örtliche Regierung, deren Politik das Ausmaß der Katastrophe vergrößert habe.

Luca Simoni von der Organisation PLAT, einer Plattform für soziale Intervention, hat die Demonstration mitorganisiert. Er sagt: „Wir wollen, dass alles wiederaufgebaut wird, aber wir wollen nicht, dass es wieder so wird wie vorher.“ Der Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung in der norditalienischen Region hätten die Überschwemmungen noch schlimmer gemacht.

Deshalb fordert er, auch angesichts des Klimawandels, einen radikalen Wandel in der Politik, auch auf lokaler Ebene. PLAT verlangt zum Beispiel, Projekte wie den Autobahnausbau bei Bologna und den Bau einer Erdgas-Wiederverdampfungsanlage bei Ravenna zu stoppen. „Diese Projekte sind das komplette Gegenteil zu den Leitlinien aller Umweltbewegungen zu null Bodenverbrauch und null Emissionen“, so Simoni.

PLAT kümmert sich normalerweise um soziale Fragen, unterstützt beispielsweise Personen, die vor einer Zwangsräumung stehen oder hilft Mi­gran­t:in­nen im Alltag. Dann trafen am 17. Mai die Überschwemmungen die Emilia Romagna mit ganzer Wucht.

„Engel des Schlamms“

„Wir haben beschlossen, alles andere für einen Moment beiseitezulegen, haben unsere Stiefel angezogen, unsere Schaufeln geschnappt und der Bevölkerung geholfen“, sagt Simoni. Videos von Freiwilligen, die in langen Menschenketten eimerweise Schlamm aus den Wohnungen tragen, gingen viral, schmutzige Gummistiefel wurden zum Symbol der Solidarität. Lachende junge Leute in schlammbespritzer Kleidung zierten auch die Social Media Posts des Regionspräsidenten Bonaccini. Schnell war für sie der Begriff der „Engel des Schlamms“ geprägt. Simoni sagt: „Nennt uns nicht so, wir sind losgezogen, um der Bevölkerung zu helfen. Aber jetzt fordern wir eine radikale Änderung der Politik, die die Gebiete der Emilia Romagna verwaltet.“

Über Wochen organisierten PLAT und andere autonome Gruppen einen täglichen Treffpunkt für freiwillige Helfer:innen, die von Bologna in die betroffenen Gebiete fuhren und mit anpackten. An manchen Tagen fanden sich allein bei PLAT bis zu 200 Personen zusammen, die Solidarität war groß. Aber dabei soll es nicht bleiben, so Raffaele Traini, ebenfalls von PLAT: „Wir wollen Solidarität und Konflikt zusammenbringen. Denn Solidarität allein wird zur Wohltätigkeit, an der wir nicht interessiert sind.“ Jetzt geht es um Konsequenzen, so Simoni: „Wir wollen einen Umbau, der vom Sozialen und den Bedürfnissen der Menschen ausgeht und nicht von den Profitbedürfnissen des Großkapitals.“

An Eigeninitiative mangelt es nicht: Neben der Demonstration hat PLAT bei einem Festival mehrere tausend Euro für die Opfer der Flut gesammelt und will damit soziale Anlaufstellen in den betroffenen Gebieten aufbauen. Auch hier lautet die Botschaft an die Regierung: Wir sind vor Ort und schauen ganz genau hin.

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