Nach Türken-Juden-Vergleich: Faruk Sen droht der Rauswurf

Der Direktor des Zentrums für Türkeistudien verglich die Situation der Türken in Europa mit der von Europas Juden bis 1945. Nun soll er entlassen werden.

Türkisches Kulturfest in Berlin Bild: dpa

Faruk Sen steht unmittelbar vor seiner Entlassung als Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT). Auf einer Sondersitzung beschloss der Vorstand des Zentrums am Donnerstag, beim Kuratorium der übergeordneten Stiftung seine Abberufung zu beantragen. Das Gremium reagierte damit auf einen umstrittenen Zeitungsartikel Sens, in dem er die heutige Situation der Türken in Europa mit dem Schicksal der europäischen Juden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verglichen hatte.

Außerdem bat der Vorstand des Zentrums den nordrhein-westfälischen Integrationsminister und Kuratoriumsvorsitzenden Armin Laschet (CDU), Sen "mit sofortiger Wirkung von der Wahrnehmung seiner Geschäfte zu entbinden". Sen habe "dem deutsch-türkischen Verhältnis, der Integrationspolitik und dem Stiftungszweck schwer geschadet", begründeten die Mitglieder ihre einstimmige Entscheidung. Nicht erst mit seinen jüngsten Äußerungen habe er einen verzerrten Eindruck über das Zusammenleben von Deutschen und Türken vermittelt. Bereits mehrfach sei er in der Vergangenheit vom Vorstand deswegen "auf seine Pflichten hingewiesen" worden.

Sen kündigte gegenüber der taz an, seine drohende Entlassung nicht hinnehmen zu wollen. "Das ist eine Entscheidung, gegen die ich mich juristisch wehren werde", sagte er. Der 60-jährige Professor hält sich zurzeit in Istanbul auf und nahm deswegen nicht an der Sitzung teil. Das Vorstandsvotum sei eine "Überreaktion" und "absolut falsch". Gleichzeitig betonte Sen, er bedauere ausdrücklich seinen unhistorischen Vergleich in der türkischen Wirtschaftszeitung Referans. Es sei ihm "vollkommen klar, dass nicht nur das Schicksal der Juden in der Nazizeit und das der Türken unvergleichbar sind, sondern die gesamte 2.000-jährige Geschichte der Judenverfolgung eine einmalige Qualität hat, die historische Vergleiche überhaupt verbietet".

Noch vor der Vorstandssitzung hatte sich Sen am Donnerstagmorgen in Telefongesprächen mit der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, und dem früheren Zentralratsvize Michel Friedman für seinen Fauxpas entschuldigt. "Er hat eingeräumt, einen großen Fehler gemacht zu haben", sagte Knobloch der taz. "Ich höre solche Vergleiche leider immer wieder und kann sie absolut nicht akzeptieren." Sens Entschuldigung habe sie "zur Kenntnis genommen". Friedman bezeichnete die Äußerungen Sens als "Ausdruck eines völlig falschen Geschichts- und Gegenwartsbildes". Sie seien unhistorisch und höchst gefährlich. Das habe er auch Sen mit sehr deutlichen Worten mitgeteilt. "Natürlich werden Türken diskriminiert, auch in Deutschland", sagte Friedman dieser Zeitung. Doch das rechtfertige keinesfalls einen solch unhaltbaren Vergleich. Den Abberufungsbeschluss wollten weder Knobloch noch Friedman kommentieren.

Das Zentrum für Türkeistudien forscht zu den Bereichen Zuwanderung und Integration. Das von einer selbstständigen Stiftung getragene Institut mit rund 30 Mitarbeitern finanziert sich über Forschungsaufträge und Zuschüsse vor allem des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit ihrer Gründung 1985 steht der promovierte Betriebswirt Sen an der Spitze der bundesweit einmaligen Einrichtung. Für seine Verdienste um die deutsch-türkischen Beziehungen erhielt das SPD-Mitglied 2003 das Bundesverdienstkreuz.

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