Nach Randalen im Olympiastadion: Polizei sieht sich unschuldig
Etwa 150 Chaoten haben im Berliner Olympiastadion nach Herthas Niederlage das Spielfeld gestürmt. Die Polizei brauchte knapp acht Minuten, um präsent zu sein. Zu lange? Die Polizei sagt nein.
BERLIN dpa | Die Berliner Polizei hat am Sonntag Vorwürfe zurückgewiesen, sie habe bei den Ausschreitungen am Samstag im Olympiastadion zu spät eingegriffen. Nachdem rund 150 gewalttätige Zuschauer unmittelbar nach der 1:2-Niederlage von Hertha BSC im Abstiegsduell der Fußball-Bundesliga gegen den 1. FC Nürnberg im Stadion randaliert hatten, ist es in der Nacht zum Sonntag weitgehend ruhig geblieben. In der Arena hatte die Polizei die Lage erst nach fünf bis acht Minuten in den Griff bekommen.
Nach dem Spiel versammelten sich zwar noch einige Fans vor dem Stadion und machten ihrer Wut lautstark Luft, die Polizei löste die Gruppe aber auf, wie eine Sprecherin am Sonntag mitteilte. Nach Angaben der Polizei gab es 25 Festnahmen, vier Polizisten seien leicht verletzt worden.
Der Berliner Tagesspiegel berichtete am Sonntag, ein Teil der Polizeikräfte sei nach dem 1:0-Zwischenstand für Hertha zum Ostkreuz abkommandiert worden, weil dort frustrierte BFC-Dynamo-Anhänger nach der Auswärtsniederlage bei Energie Cottbus II erwartet worden seien. Nach dem Ausgleich der Nürnberger im Olympiastadion seien die Kräfte wieder dorthin zurückbeordert worden. Die Polizeisprecherin konnte dies im Detail bislang nicht bestätigen. Insgesamt sollen etwa 300 Polizisten im Einsatz gewesen sein.
Bis zu 150 Chaoten aus dem Berliner Fanblock hatten nach der Niederlage des Bundesliga-Schlusslicht Hertha gegen Nürnberg den Graben überwunden und den Innenraum des Olympiastadions gestürmt. Die Nürnberger Profis mussten vor den Randalierern in die Katakomben flüchten. Ordner und Polizisten hinderten die teilweise mit Latten und Fahnenstangen bewaffneten Fans am Vordringen in den Abgang zu den Spieler-Kabinen. Die Chaoten zerschlugen Plastik- und Glaswände im Bereich der Trainerbänke und zerstörten zahlreiche Stühle.
"Wir müssen entschieden dagegen vorgehen. Ich hoffe, dass sich da endlich welche finden, die Arsch in der Hose haben und dem Einhalt gebieten. Ich möchte nicht erleben, was passiert, wenn es den ersten Toten gibt", erklärte Nürnbergs Trainer Dieter Hecking nach den Ausschreitungen und fügte im Sky-Interview hinzu: "Wir müssen aufpassen, dass der Fußball nicht verkommt."
Zunächst hatte sich eine rund 80-köpfige Ordner-Gruppe vor den Chaoten zurückgezogen, die Polizei griff erst später ein. "Es ist eine geringe Anzahl von Gewaltbereiten, die diese Bühne nutzen. Dagegen muss man mit aller Härte vorgegangen werden", sagte Hertha- Coach Friedhelm Funkel.
Hertha BSC - 1. FC Nürnberg 1:2 (1:0)
Hertha BSC: Drobny - Piszczek (78. Wichniarek), Friedrich, Hubnik, Kobiaschwili - Dardai (67. Kacar) - Kringe (53. Nicu), Cicero, Raffael - Ramos, Gekas
1. FC Nürnberg: Schäfer - Diekmeier, Wolf, Maroh, Pinola - Ottl, Gündogan, Tavares (57. Frantz) - Risse (77. Nordtveit), Bunjaku - Choupo-Moting (66. Charisteas)
Schiedsrichter: Kircher (Rottenburg)
Zuschauer: 57 761
Tore: 1:0 Gekas (36.), 1:1 Bunjaku (61.), 1:2 Charisteas (90.+1)
Gelbe Karten: Friedrich (7), Raffael (8) / Pinola (7)
Erst nach mehreren Minuten gelang es den Sicherheitskräften, die Lage zu beruhigen. Die Randalierer zogen sich in den Fanblock zurück. Wie es zu dem Vorfall kommen konnte, werde noch geprüft. "Die Sicherheitskräfte haben sich richtig verhalten, haben zunächst deeskalierend gewirkt", erklärte Hertha-Manager Michael Preetz.
Hertha vergibt zahlreiche Chancen
Während des Spiels hatte Theofanis Gekas die zunächst klar überlegene Hertha vor der Saison-Rekordkulisse von 57.761 Fans mit 1:0 in Führung (36.) gebracht. Doch weitere glasklare Berliner Chancen blieben ungenutzt. "Das ist ganz, ganz bitter. Damit müssen wir erst einmal umgehen", beschrieb Trainer Funkel die Situation.
Nach der Pause schafften FCN-Torjäger Albert Bunjaku mit seinem zwölften Saisontor (61.) und der eingewechselte Angelos Charisteas (90.+1) noch die Wende. Hertha ist mit nun 15 Punkten weiter Tabellen-Letzter, Nürnberg hält mit 24 Zählern Tabellen-Rang 15. "Noch haben wir die theoretische Chance, dafür werden wir weiter alles tun", unterstrich Herthas Präsident Gegenbauer, der aber die "internen Planungen beider Szenarien" jetzt auch intensiver angehen wird.
Mann des Tages in Berlin war Nürnbergs Torhüter Raphael Schäfer, der in seinem 200. Pflichtspiel für den Club mit Glanzparaden gleich in Serie die Herthaner zur Verzweiflung trieb. "Wenn man auch hochkarätige Chancen nicht nutzt, hat das auch mit Unvermögen zu tun", erklärte Funkel am Ende eines Abends, der als ganz schwarzer in die Berliner Fußball-Geschichte eingeht.
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