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Nach Polizei-FestnahmeMysteriöser Tod

Ein junger Mann stirbt, nachdem Beamte ihn wegen nächtlichen Randalierens hatten abführen wollen. Ist die Ursache ein Treppensturz oder der Einsatz von Pfefferspray?

Unter Drogeneinfluss soll Pfefferspray (hier eine Demonstration) tödliche Folgen haben können

Der Mann war 32 Jahre jung. Am Sonntag, nach einem Polizeieinsatz, ist er im Krankenhaus verstorben. Davor hatte er, wahrscheinlich unter Drogeneinfluss, in seinem Wohnhaus randaliert. Es dauerte eine Weile, bis die Beamten den Mann unter Kontrolle hatten.

Der plötzliche Tod ist mysteriös. Die Obduktion hat ergeben, dass der Mann an inneren Blutungen starb. Laut Polizei ist er bei seiner Festnahme "eine Treppe hinuntergefallen". Auch mit Pfefferspray sei bei dem Einsatz operiert worden. Es ist bekannt, dass Pfefferspray bei Drogenkonsumenten eine lebensbedrohliche Wirkung entfalten kann.

Die 4. Mordkommission hat den Fall übernommen. Ermittelt werde gegen drei Polizisten wegen Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge, teilte die Polizei am Montag mit. Die Beamten seien am Sonntag gegen 5 Uhr früh in die Elßholzstraße in Schöneberg gerufen worden. Der 32-Jährige, der seine 60 Jahre alten Eltern in der gemeinsamen Wohnung angeschrien habe, sei nach einem Platzverweis auf die Straße gebracht worden. Danach seien die Beamten nochmals in die Wohnung, um den Sachverhalt aufzunehmen. Auf dem Rückweg wären sie im Hausflur erneut dem "Verwiesenen" begegnet. Weil dieser "schlug und trat", hätten die Beamten Pfefferspray eingesetzt. Doch das habe bei dem alkoholisierten Randalierer "keine Wirkung" gezeigt.

Mithilfe weiterer Polizisten sei der Mann schließlich überwältigt worden, heißt es weiter. Dabei sei er eine Treppe hinunterfallen und auf eine Polizistin gestürzt, die leichte Verletzungen davontrug. Auch andere Beamte seien leicht verletzt worden. Beim Wiederaufrichten sei dem 32-Jährigen ein Tütchen mit Drogen aus der Tasche gefallen.

Da auch der Festgenommene "beim Fallen leichte Verletzungen erlitt", so die Polizei, wurde ein Rettungswagen gerufen. Bevor dieser jedoch eintraf, sei der Mann ins Koma gefallen. Erst habe er vor Ort erfolgreich reanimiert werden können, gegen 15.30 Uhr sei er dann im Krankenhaus verstorben.

Nach Informationen der taz sind innere Blutungen die Todesursache. Die Frage ist: Was hat die Blutungen ausgelöst? Vielleicht der Sturz? Dagegen spricht die offizielle Darstellung, dass er auf eine Polizistin fiel und nur leichte äußere Verletzungen erlitt. Ermittler sprechen von einem sogenannten Bagatelltrauma.

In Ermittlerkreisen geht man jedoch eher davon aus, dass der Mann eine Erkrankung hatte - etwa Bluter war -, die durch die Ereignisse verstärkt worden sei. Deshalb sollen alte Krankenakten durchforstet werden.

Denkbar ist allerdings auch, dass das Pfefferspray mit dem Tod zu tun hat. Laut dem Magazin Spiegel gab es in der zweiten Hälfte 2009 mindestens drei Tote nach Polizeieinsätzen mit Pfefferspray. Stets hätten die Opfer unter Drogen oder Einfluss von Psychopharmaka gestanden. Aus den USA sind Fälle bekannt, in denen extrem erregte Personen starben, die Drogen eingenommen und Pfefferspray abbekommen hatten. Auch Tierversuche zeigen, dass ein solcher Verdacht naheliegt.

Dass es zwischen dem im Pfefferspray verwendeten Capsaicin, einem Extrakt aus der Chilischote, und Drogen eine tödliche Wechselwirkung gebe, sei nicht erwiesen, sagen Berliner Mediziner der taz: "Sonst wäre das Pfefferspray längst verboten."

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9 Kommentare

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  • G
    ...gestrichen_voll...

    @ Sebastian

     

    "Selbst Schuld" ist eine ziemlich dreiste Aussage. Polististen sind selbst bei Randalieren dazu verpflichtet auf das Wohl der Personen zu achten. Treppensturz ect sind vorgeschobene Tatsachen um den wahren Tathergang zu verschleiern bzw. wenigstens Etwas mit Zusammenhang in den Bericht zu schreiben. Polizisten schützen einander in den härtesten Fällen, Menschen kommen ums Leben und am Ende ist Friede-Freude-Eierkuchen da im Bericht alles "schlüssig" ist und mehr als ein paar Zeilen in einigen Zeitungen gelangt nicht an die Öffentlichkeit. Was momentan in Deutschland abgeht find ich persönlich nicht mehr hinnehmbar.

  • D
    Devianz

    @dem mysteriösen Tod der Wahrheit:

     

    CN- und CS-Sprays werden bei der Polizei normalerweise nicht eingesetzt.

    1. reagiert jeder Mensch auf CS-Gas anders (manche garnicht), Pfeffer schlägt bei jedem durch.

    2. ist Pfefferspay/gel/schaum viel stärker in der Wirkung als "Kampfgase"

     

    Schau mal auf die Flaschen, da steht bei Pfeffer:

    (z.B. Walther ProSecure, 53ml, ballistic)

    "Nur zur Tierabwehr zugelassen" -> Ohne diese Warnung würde Pfefferspray unter das Waffengesetz fallen, dagegen ist CS-Gas auch ohne entsprechende Kennzeichnung (ab 18) frei verkäuflich.

     

    Fazit:

    Bitte erst einmal Informieren bevor mit Hilfe unwahrer Behauptungen der TAZ Blödzeitungs-Niveau unterstellt wird.

  • G
    googlesurfriend

    Auch Pfefferspray kann in Kombination mit Drogen töten siehe z.B.

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/Polizei-Justiz-Schoeneberg;art126,3045581

    ein Fall aus Deutschland und nicht der einzige den man findet wenn mensch alleine mal "Pfefferspray" und "tot" in den Google wirft....

    //

    btw

    von dem mysteriösen Tod der Wahrheit

    //

    glatte Lüge: CN/CS und OC werden alle 3 von Behörden benutzt.

  • S
    strnglv

    Innere Blutungen vom "die Treppe runterfallen".

    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt..

  • X
    xyz

    Es ist endlich nötig, dass die Polizei in solchen Fällen nicht gegen sich selbst ermittelt. - Ansonsten ist der(mögliche)Täter mit der Aufklärung selbst beauftragt. In Großbritannien sind unabhängige Komissionen in solchen Fällen längst üblich. In Deutschland dagegen muss sich ein Polizist keinerlei Sorgen um sein Verhalten und Vorgehen machen. Mit Konsequenzen muss nur in außergewöhnlichen Fällen gerechnet werden, und nicht einmal da: siehe der Jallo-Fall, siehe zahlreiche Demonstrationen, siehe siehe siehe.

    Es ist etwas Faul im Staate Dänemark.

  • V
    vantast

    Klar, Treppe heruntergefallen. Die andere beliebte Version ist: "Vor die Tür gelaufen" (weniger ernsthafte Verletzungen). Oder ein Mann verbrennt in einer Zelle unter "ungeklärten Umständen".

    Die Beamten sind unschuldig, da alle "übereinstimmend" dasselbe aussagen.

  • R
    Ronny

    Polizisten ermitteln gegen Kollegen.

    Kann man nicht einfach die Steuergelder sparen, und direkt das Ergebnis bekannt geben?

    Ist doch eh schon klar.

  • DM
    dem mysteriösen Tod der Wahrheit

    Bei dem verwendeten Mittel handelt es sich um CN-, CS- oder einem sonstigen Kampfgas. Das Zeug heisst Kampfgas, weil es zum Kampfeinsatz entwickelt wurde. Pfefferspray aus Pfeffer wird nicht verwendet. Insbesondere wenn es um den "mysteriösen" Tod eines Menschen geht, ist die Verwendung einer Falschaussage wie "Pfefferspray" unangebracht. Solche eine Verharmlosung erwarte ich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Bild-Zeitung, aber von nicht der taz.

  • S
    Sebastian

    Tja, da kann man nur sagen "selbst Schuld". Hätte es nicht randaliert und fremde Personen in Gefahr gebracht, und hätte es keine Drogen genommen, würde er noch leben.