: Nach Gold geschielt
■ Dieter Thoma gewinnt WM-Silber hinter dem Japaner Harada und hat auch den Weltcup noch nicht abgeschrieben
Trondheim (dpa) – Mit zwei Weltmeisterschaftsmedaillen im Gepäck will Dieter Thoma jetzt den Weltcup gewinnen. „Zwar habe ich vor den noch ausstehenden sechs Springen mit 113 Punkten einen nicht geringen Rückstand auf Primoz Peterka, doch der konnte bei der WM ja nicht gerade glänzen. Ich will angreifen, auf jeden Fall aber in den nächsten drei Wochen so viele Punkte sammeln, daß ich die Gesamtwertung unter den ersten drei beende“, kündigte der Schwarzwälder in Trondheim nach dem Gewinn der Silbermedaille auf der Großschanze an.
Mit Sprüngen von 121,5 und 124 m sowie der Note 244,9 hatte er nur dem Japaner Masahiko Harada den Vortritt lassen müssen, der für 124 m und die Tagesbestweite von 128 m insgesamt 252,1 Punkte erhielt. Bronze holte der Schweizer Sylvain Freiholz. „Sicher habe ich etwas nach Gold geschielt. Doch ich freue mich riesig nach Bronze aus dem Team-Wettbewerb. Keine Frage: Ich habe Silber gewonnen, nicht Gold verloren“, meinte Thoma und strahlte.
Nach dem ersten Versuch war der 27jährige noch skeptisch gewesen. „Ich habe meine Chance nicht genutzt. Es hätte über 130 m gehen können, wenn ich mir nicht selbst einen Meter Höhe genommen hätte, weil ich zu schnell mit dem Körper nachgegangen bin“, ärgerte er sich als Vierter nach dem ersten Durchgang. Im zweiten legte Thoma mit 124 m einen zu dicken Brocken für den Norweger Havard Lie und den Japaner Takanobu Okabe vor und bedankte sich noch vor Haradas Sprung via Stadionmikrophon beim Publikum. Als der Japaner Harada mit seinem besten Saisonsprung zu Gold flog, waren die japanischen Betreuer nicht mehr zu halten. Auf dem Hosenboden rutschten sie vom Schanzentisch den Aufsprunghang hinunter, um ihren ersten Großschanzen-Titelträger der WM-Geschichte zu feiern.
Mit dem sehr guten 15. Platz komplettierte Martin Schmitt (Furtwangen) das gute Ergebnis der deutschen Springer, die alle vier ins Finale gekommen waren. Der 19jährige hatte im ersten Durchgang für einen Neubeginn gesorgt, als er zweieinhalb Meter über die Jury-Weite (125 m) geflogen war. Schmitt zeigte zuerst Verständnis dafür, daß nach seinem Flug abgebrochen wurde. „Wenn ich schon so weit komme, wird es für die Besten gefährlich. Schade drum, denn es war ein guter Sprung“, sagte der Abiturient. Doch als er erfuhr, daß die Jury den Anlauf nur um minimale 60 cm verringerte, war er sauer: „Ich komme mir schon etwas verarscht vor, denn mit den 127,5 m wäre ich ganz vorn dabeigewesen.“
„Die Jury hätte erkennen müssen, daß Schmitt ein perfekter Sprung gelungen war. Ich jedenfalls hätte nicht abgebrochen, zumal der Bursch sich ja bereits die ganze Woche zuvor in einer stabil guten Form präsentierte“, kritisierte auch Paul Ganzenhuber, der ehemalige Springer-Cheftrainer Österreichs die Entscheidung. Dagegen verteidigte Bundestrainer Reinhard Heß die Jury: „Sicher ist dem Martin dadurch ein absoluter Vorderplatz verlorengegangen, doch ich kann nicht auf der einen Seite Anlauflängen fordern, die sich an den besten Springern des Feldes orientieren, auf der anderen Seite dagegen opponieren, wenn es einen meiner Springer betrifft. Wie man es auch dreht und wendet: Für Dieter war die Entscheidung gut.“
Etwas „Bammel“ um Thoma habe er vor dem Großschanzen- Springen schon gehabt, sagte Heß nach dem Wettkampf. „Dieter konnte ja in den letzten acht Wochen wegen seiner Rückenprobleme kein Krafttraining machen. Das geht schon an die Substanz.“ Eine Ursache für Thomas Rückenschmerzen ist, daß die Springer mit jedem Gramm Körpergewicht geizen und deshalb nur wenig stärkende Muskulatur für das Rückgrat ausgebildet haben. „Nach der Saison müssen wir ein entsprechendes Trainingsprogramm aufstellen, damit sich Dieter ein Muskelkorsett erarbeiten kann, auch auf Kosten von vielleicht einem Kilo Gewichtszuwachs“, dachte Heß in der Stunde des Erfolgs bereits nach vorn.
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