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Nach Datenaffäre nun PR-SkandalBahn fingierte positive Leserbriefe

Die Bahn hat versucht, mit erfundenen Leserbriefen und Äußerungen in Internetforen ihr Image aufzupolieren. Kosten der verdeckten PR: 1,3 Millionen Euro.

Kein Monat ohne neuen Skandal: die Bahn. Bild: dpa

BERLIN dpa Die Deutsche Bahn hat verdeckte Öffentlichkeitsarbeit eingeräumt und sich von PR-Aktionen des Jahres 2007 distanziert. Bahnchef Rüdiger Grube stellte am Donnerstag in Berlin fest, er lehne PR-Maßnahmen entschieden ab, bei denen der Urheber nicht erkennbar sei. Er reagierte damit auf einen Bericht des Magazins "Der Spiegel" über Aktionen für ein besseres Image des Unternehmens im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um den geplanten Bahn-Börsengang und dem damaligen Tarifkonflikt.

Dabei handelte es sich nach Bahn-Angaben um vorproduzierte Medienbeiträge, Leserbriefe, Äußerungen in Internetforen und Meinungsumfragen, bei denen der Urheber beziehungsweise Auftraggeber nicht erkennbar ist. Die Bahn bestätigte, dass dafür im Jahr 2007 knapp 1,3 Millionen Euro ausgegeben worden seien.

Die Initiative LobbyControl berichtete, das Geld habe damals die Lobbyagentur EPPA erhalten, die wiederum der Agentur Berlinpolis Aufträge für PR-Aktionen erteilt habe. Berlinpolis habe unter anderem Meinungsumfragen zur Bahn-Teilprivatisierung und zum Lokführerstreik mit bahnfreundlichen Ergebnissen publiziert.

LobbyControl machte Grube am 19. Mai auf diese Methoden der Öffentlichkeitsarbeit aufmerksam, wie die Bahn jetzt mitteilte. Am folgenden Tag habe der Bahnchef die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beauftragt, den Sachverhalt aufzuklären, die eine Woche später, am Mittwoch, Grube mündlich informiert habe. Grube sagte laut Mitteilung: "Solche Aktivitäten sind mit dem Grundsatz eines transparenten und redlichen Dialogs mit der Öffentlichkeit in keiner Weise vereinbar. Ich werde umgehend im Unternehmen die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen." Welche das sind, ließ er zunächst offen.

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18 Kommentare

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  • AE
    August Ernst

    Das macht die Atomwirtschaft schon immer.

     

    Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zieht alleine 2004 den Steuerzahlern über 10 Mrd. € (EURO) aus der Tasche, um überflüssige Castor-Transporte und die unsinnige Wiederaufarbeitung von Atommüll steuerlich zu begünstigen. Die Werbeagentur der Nuklearindustrie ist das Deutsche Atomforum (DAtF), das als (!!!-gemeinnützige-!!!) Werbeagentur der Atomwirtschaft zu Lasten von Steuerzahlern und Stromkunden jährlich rund 50 Millionen € (EURO) für reine Propagandazwecke verpulvert. Mit der Atomindustrie kann es keine Koexistenz geben. Wie man den nuklearen Spuk in Rekordzeit beenden kann und seine Plagegeister aus den eigenen 4 Wänden vertreibt, steht hier:

    www.fair-news.de/index.php/suche-CDAK/

  • OB
    otto b.

    über so etwas berichten

    und Werbung von campact.de

     

    das passt wie die Faust aus Auge

     

    warum nicht gleich ein Spendenaufruf für campact

     

    Ethik im Journalismus

  • M
    Micaela

    @Ullrich F.J. Mies:

    Nur weil etwas üblich ist und man auf diese Normalität hinweist muss man es nicht gut finden bzw. neoliberal verwahrlost sein!

  • N
    Nadja

    Berlinpolis sucht noch Praktikanten, die dann im Sekundentakt Leserbriefe, Forenbeiträge und andere Meinungsmanipulative Sachen schreiben können, die Bewerber sollten ein ...

    Hohes Interesse am politischen Geschehen

     

    und eine geringe moralische Einstellung mitbringen, denn die Moral darf hier keinen Platz haben.

    Dies ist in meinen Augen schmutzigste PR, damit waschen sich Unternehmen wie Die Bahn die Hände rein, wenn sie ihre Angestellten Lohnerhöhungen verweigern oder die Passagiere mies behandeln, warten lassen und ihrem Image nicht gerecht werden.

    Warum das jetzt rauskommt? Gute Frage, nächste Frage ... Jemand will wohl innerhalb der Bahn die Entscheider unter Druck setzen.

    Wer sich Foren durchliest zum Thema Hartz, große Industrieunternehmen wundert sich, wie da Leute nachplappern, was bestimmte Gruppen wollen. Jetzt weiß man es: Die werden dafür bezahlt, offenbar noch nicht mal besonders gut. Das Praktikum jedenfalls wird vergütet. Fragt sich, was man dafür bekommt?

  • L
    likewise

    Man kann daraus ersehen, daß die Bahn noch dümmer als schlecht ist. Aus den bisherigen Kommentaren geht hervor, daß nicht nur ich bereit gewesen wäre, für die Hälfte des Geldes einen wohlwollenden Leserbrief für die Bahn zu zahlen. So schlecht ist sie ja doch nicht, daß man dafür gleich 1,3 Nio. verlangen müßte.

    Ob man das solcherart hervorragende Bahnmanagement mal fragen dürfte, was man ihr sonst noch zu derart überteuerten Preisen verhökern kann?

  • W
    wolf1366

    Für das Geld und vielleicht auch etwas weniger hätte ich "Die Bahn" auch mit Texten vergoldet!Wenn solche Konzerne unbedingt Geld verbrennen wollen (teils Steuergelder),hier ist ein williger Abnehmer.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Es ist wirklich zum Verzweifeln.

    Wie stark die Gehirne einiger ZeitgenossInnen gewaschen wie neoliberal verwahrlost sie sind und wie korrumpiert ihr Denken ist, darf hier besichtigt werden.

     

    Fest steht: Manipulierte Leserbriefe sind kein Kavaliersdelikt sondern psychologische Kriegsführung mit dem Ziel der Manipulation.

    Die Auftraggeber sind Verbrecher, die die Demokratie untergraben. Wer das alles völlig normal findet ist eben ein "Normalo".

    Bei all der Empörung darf nicht vergessen werden. Die Stützen des systemischen Verbrechens hocken in der Politik. Sie haben Namen: Tiefensee, Steinebrück et. al.

  • CB
    Corvin Blanke

    Ich verstehe die Aufregung auch nicht, im Netz ist es üblich, dass Unternehmen ihr Angebot bzw. die Meinung der Kunden aufpolieren.

    Ich vermute das auf jeden Fall auch bei Kabel Deutschland und die Telekom ist auch ein heißer Kandidat. Wäre mal interessant, mehr darüber zu erfahren, vielleicht ein längerer Artikel/ eine längere Untersuchung.

    Ich denke auch, dass sich die wenigsten Menschen überhaupt an einen Rechner setzen und einen Kundenservice oder ein Produkt loben, ein Maß der Dinge ist viel mehr, wie viel Kritik an einem Unternehmen geäußert wird.

  • D
    David

    ..und trotzdem des Geld-Aufwands ist das Image des damals noch Mehrdorn Konzerns kein Stück besser geworden. Das zeigt doch, wie schlecht das Image wirklich ist.

  • HR
    HP Remmler

    Ich habe eine Bahncard, seit es die Bahncard gibt, fast ohne Unterbrechung. Vielleicht sollte ich so langsam mal eine Selbstanzeige wegen "Unterstützung einer kriminellen Vereinigung" erwägen...

  • M
    Micaela

    Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Das ist doch üblich in allen Bereichen der Wirtschaft/Politik. Es gibt genug Agenturen, die somit ihr Geld verdienen.

  • T
    tazitus

    Wäre es nicht einfacher, gute Aktionen oder Eigenschaften der Bahn aufzuschreiben? Oder werden dann Journalisten arbeitslos?

  • J
    Josch

    Ui, das wäre in Gästeforen von Wettbewerbern sogar abmahnfähig*.

     

    Wenn nicht eindeutig ersichtlich ist nachzuweisen ist, dass Gästebucheinträge (=Leserbriefe) keine Eigenwerbung ist, handelt es sich um unlautere Handlungsweisen die IMHO abmahnfähig sind. So hatte ich es mal in ein Seminar für Recht im Internet mitbekommen.

     

    Da hätten ein paar Anwälte richtig gut Kasse machen können.

     

    *) IANAL

  • KR
    Klaus Reiter

    Hier werden die gleichen Mechanismen wie in der Politik angewandt. Auch so manches Ministerium hat in der Vergangenheit die Steuerzahler auf deren eigene Kosten z.B. mit inzinierten, gekauften Rundfungbeiträgen betrogen. Die schmutzigen Methoden von Ursula von der Leyen und Ulla Schmidt unter folgendem sind Link nachzulesen : http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=3563874/19x4qof/index.html

  • O
    oxymoron

    Interessante Kombination:

    Überschrift des Artikels: "Bahn fingierte positive Leserbriefe"

    Etwas weiter unten eine Anzeige für eine PR-Agentur mit der Überschrift: "Wir bringen Ihre Firma zum Sprechen"...

  • SD
    Stefan Diefenbach-Trommer

    Die Lobbyisten haben im Jahr 2007 den Internetauftritt MeineBahnDeineBahn.de aus der Taufe gehoben mit der Legende, hier seien Bürger am Werk, die sich eine privatisierte Bahn wünschten. Namentlich trat dabei genau ein Bürger auf.

    Der Internetauftritt war eine direkte Antwort und zum Teil Kopie von www.DeineBahn.de, einem Auftritt des Bündnisses "Bahn für Alle", das gegen die Bahnprivatisierung arbeitete und damit 70 Prozent der Bevölkerung hinter sich hatte.

    MeineBahnDeineBahn.de stellte pünktlich zum 31.12.2007 seine Arbeit und und verschwand einige Tage später völlig aus dem Netz.

  • T
    Thomas

    Herrlich, was soll man dazu noch sagen? Ich kann höchstens via taz-popblog auf die ZEIT verweisen: “Gewiss ist, dass Mehdorn das Beste aus einem halben Dutzend lateinamerikanischer Obristen in sich vereinigte.”

  • K
    Kungelbruder

    1,3 Millionen Euro fürs Leserbriefe schreiben. Das ist wahrlich ein guter Kurs!