Nach Bombenanschlag in Marokko: Weltsicherheitsrat verurteilt Anschlag
Der Bombenanschlag in einem Café in Marrakesch hat weltweit Bestürzung hervorgerufen. Bisher hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt, verdächtigt wird eine Al-Kaida-Gruppe.
NEW YORK/MARRAKESH dpa | Der Weltsicherheitsrat hat den Anschlag auf ein Café im marokkanischen Marrakesch mit mindestens 14 Toten "aufs Schärfste" verurteilt.
In einer Presseerklärung sprachen die 15 Ratsmitglieder den Angehörigen der Opfer dieser "schrecklichen Tat" ihr Mitgefühl aus. "Jede Form von Terrorismus ist kriminell und nicht zu rechtfertigen", heißt es in der in der Nacht zum Freitag in New York verbreiteten Erklärung. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "entsetzt" von dem Anschlag.
Wie ein Sprecher mitteilte, wies Ban den Einsatz "wahlloser Gewalt gegen unschuldige Zivilisten" scharf zurück. "Kein politisches Ziel rechtfertigt solch eine abscheuliche Tat oder wird durch sie bedient", erklärte der UN-Generalsekretär.
Die Monarchie: König Mohamed VI. von Marokko ist laut der Forbes-Liste 2009 der siebtreichste Monarch der Welt. Er hat ein Vermögen von 2,5 Milliarden Dollar und liegt damit weit vor den Herrschern erdölproduzierender Länder wie Qatar oder Kuwait. Seit er 1999 den Thron von seinem verstorbenen Vater Hassan II. übernahm, hat er sein Vermögen verfünffacht. Die Haupteinnahmequelle ist die Phosphatindustrie. Marokko kontrolliert dank der Minen in der besetzten ehemaligen Kolonie Westsahara die Hälfte der weltweiten Vorkommen und ist die Nummer 3 auf dem Weltmarkt nach China und den USA. Die königliche Holding ONA kontrolliert neben den Minen, Banken, Versicherungen, Lebensmittel- und Bauindustrie. Alle Aktivitäten zusammen genommen erzielen die königlichen Unternehmen über 6 Prozent des Bruttoinlandproduktes. 2005 veröffentlichte die Zeitschrift Telquel zahlen aus dem Budget des Königshauses. Knapp eine Million Dollar stehen Mohamed VI. für Hofstaat und Paläste zur Verfügung - am Tag.
Die Untertanen: Dem steht die Realität der Untertanen gegenüber. Der SMIC - der gesetzliche Mindestlohn - beläuft sich auf 2110 Dirham pro Monat, das macht umgerechnet rund 200 Euro. Fünf Millionen Menschen leben von weniger als einen Euro am Tag. Die Wohnungen in den großen Städten sind teuer. Wo nur einer in der Familie arbeitet und mehrere Kinder da sind, reicht oft selbst das Gehalt eines kleinen Beamten nicht für viel mehr als für eine selbstgezimmerte Bleibe irgendwo außerhalb. Alleine im Großraum Casablanca gibt es über 300 Bidonville-Siedlungen, wie hier die Slums heißen. Mehr als 8 Prozent der Bevölkerung rund um Casablanca haust in diesen prekären Unterkünften.
Die Einnahmequellen: Die Wirtschaft Marokkos bietet wenig Chancen. Die Haupteinnahmequellen des Landes sind neben Tourismus und Landwirtschaft die Überweisungen der Immigranten in Europa und in Übersee. 6,4 Milliarden Dollar schickte sie im Jahr 2010 nach Hause. Die rund 2,5 Millionen Marokkaner, die im Ausland leben, sind damit nach dem Tourismus die zweite Devisenquelle des Königreiches. Die meisten Menschen in Marokko haben den Glauben an einen baldige Veränderung ihrer Lage verloren. Über 60 Prozent der Marokkaner zwischen 16 und 29 Jahren sehen ihre Zukunft in der Emigration nach Europa oder Kanada. (taz)
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, die Tat "darf keinesfalls dazu führen, dass der eingeleitete Reformprozess in Marokko unterminiert wird."
Bei dem Anschlag waren am Donnerstag nach Angaben der marokkanischen Behörden 14 Menschen "unterschiedlicher Nationalitäten" getötet worden. Rettungskräfte gaben die Zahl der Toten sogar mit 18 an. Unter den Todesopfern seien auch elf ausländische Besucher.
Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Es wird aber spekuliert, dass die Gruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI), ein nordafrikanischer Ableger des Terrornetzes von Osama bin Laden, hinter dem Blutbad stecken könnte.
Die Terroristen schlugen zur Mittagszeit zu, als das am zentralen Jamaa el-Fna-Platz gelegene Café besonders gut besucht war. Der Platz zählt zum Unesco-Weltkulturerbe und ist mit seinen Gauklern und Händlern die wichtigste Sehenswürdigkeit in der marokkanischen Wüstenstadt.
Selbstmordattentäter drang in die Küche ein
Das örtliche Fernsehen berichtete, ein Selbstmordattentäter sei in die Küche des Lokals eingedrungen und habe sich neben den Gasflaschen für den Herd in die Luft gesprengt. Dies habe die Wucht der Detonation noch vergrößert.
Die Polizei hatte die gewaltige Explosion zunächst auf ein Gasleck in der Küche zurückgeführt. "Die Untersuchung der ersten Beweismittel vom Tatort weist jedoch auf ein Attentat hin", teilte das Innenministerium später mit.
Die deutsche Botschaft in Rabat sei eingeschaltet und bemühe sich mit Hochdruck um Informationen zur Identität der Toten und Verletzten. Bisher gebe es aber keine Hinweise darauf, dass Deutsche bei dem Attentat getötet oder verletzt worden seien. Unter den Toten sind nach Informationen franzöischer Medien mindestens sechs Franzosen und vermutlich auch ein Brite.
Der Anschlag war der bislang blutigste in Marokko seit acht Jahren. Im Mai 2003 starben bei Selbstmordattentaten auf westliche und jüdische Einrichtungen in der Wirtschaftsmetropole Casablanca 45 Menschen, darunter 12 der Täter. Seitdem hat die Polizei Dutzende Terrorzellen zerschlagen und Tausende mutmaßliche islamistische Extremisten verhaftet.
Wie in anderen nordafrikanischen Ländern sind auch in Marokko in den vergangenen Monaten tausende Menschen auf die Straßen gegangen, um demokratische Reformen einzufordern. Die jüngste Demonstration fand am Wochenende statt. Gewalttätige Unruhen wie in anderen Staaten der Region blieben in Marokko aber weitgehend aus.
Der in weiten Teilen der Bevölkerung beliebte König Mohammed VI. kündigte tiefgreifende Reformen an. So will er einen Teil seiner Macht abgeben und die Befugnisse der Regierung sowie des Parlaments stärken. Ein Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Marrakesch und den Protesten sei daher nicht zu erkennen, hieß es in Medienberichten.
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